Antony & Cleopatra – National Theatre – 2018


Marcus Antonius (Ralph Fiennes), im Folgenden nur noch Antony genannt, römischer Politiker, Feldherr und nach der Ermordung Julius Cäsars einer der mächtigsten Männer Roms und Teil des Triumvirats, das aus ihm, Lepidus (Nicholas Le Prevost) und (Octavius) Caesar (Tunji Kasim) besteht, vernachläßigt seine Pflichten und vergnügt sich lieber mit seiner großen Liebe(?) Cleopatra (Sophie Okonedo) in Alexandria.
Dabei stört ihn weder Krieg, noch das Wissen, dass seine Ehefrau eine Rebellion gegen Caesar angezettelt hat und gestorben ist.
Doch als Caesar Antony nach Rom zurückruft, um gegen den berüchtigten Piraten Pompey (Sargon Yelda) und seine Männer, die das Mittelmeer unsicher machen und gegen Rom aufmucken, zu kämpfen, bricht er schließlich gegen den Willen Cleopatras doch nach Rom auf.
Dort legen die beiden Alphamännchen Antony und Caesar ihren Streit vorerst bei, schließen gemeinsam eine Waffenruhe mit Pompey und Antony willigt sogar ein, Octavia (Hannah Morris), die Schwester von Caesar zu heiraten, um ihr Bündnis zu stärken.
Doch als Caesar und Lepidus den Friedensvertrag mit Pompey brechen und gegen ihn kämpfen, ist Antony fuchsteufelswild und sein Untergang, der von Cleopatra noch beschleunigt wird, nimmt seinen Lauf…

Wer meinen Blog öfter liest, hat vermutlich schon mitbekommen, dass Shakespeare und ich nicht unbedingt die besten Freunde sind.
Das mag daran liegen, dass ich in der Schule weder im Deutsch- noch im Englischunterricht mit seinem Werk beglückt wurde und mir deshalb vielleicht ein wenig der Zugang zu seiner Sprache fehlt.
Oder vielleicht auch daran, dass ich Geschichten, in denen am Ende alle tot sind, nicht wirklich zu schätzen weiß.

Auf jeden Fall habe ich mir Anfang des Jahres nicht gerade ein Loch in den Bauch gefreut, als bekannt wurde, dass Ralph Fiennes, den ich nach der NTlive-Übertragung von ‚Man and Superman‚ unbedingt einmal live auf der Bühne sehen wollte, in einem Stück von meinem Nicht-Lieblings-Stückeschreiber auf die Londoner Bühne zurückkehrt.

Zu meinem Glück ändern sich Dinge, aber ja auch mal und so stellte die Begleitung auf unserem London Trip grinsend fest:
‚Gib’s doch zu! Mittlerweile hättest Du dich geärgert, wenn ich das andere Stück, das zur Auswahl stand, ausgesucht hätte!‘
womit sie natürlich absolut Recht hat. Freunde sind Willie und ich trotzdem nach wie vor nicht!!!

Aber ich denke ich kann, nachdem ich nun einige seiner römischen Stücke gesehen habe, behaupten, dass diese mir einfach liegen, wenn sie gut inszeniert werden.
Das war bei Hiddlestones Coriolanus so und ob das bei NTs ‚A&C‘ so sein würde, würde sich zeigen.
Ich war auf jeden Fall schonmal froh für die halbwegs bequemen Sitze des Olivier Theaters, denn dreieinhalb Stunden Theatervergnügen, sind egal ob mit oder ohne Spaß an der Sache anstrengend.

Ich habe das Stück an zwei aufeinanderfolgenden Abenden gesehen und zwar am ersten Abend aus der vorletzten Reihe der Galerie, was durch den steilen Aufbau des Zuschauerraums trotzdem noch eine passable Nähe zum Geschehen und allgemein einen guten Überblick bedeutete und außerdem ganz interessante Einblicke zu den Abgängen der Schauspieler bot.
Am zweiten Abend saß ich in Reihe Fünf der Stalls, also ziemlich nah an der Bühne, mit nun guter Sicht auf die Mimik der einzelnen Darsteller, was mich teilweise durchaus ein wenig vom allgemeinen Fortgang des Stücks abgelenkt haben mag. Von daher war die Reihenfolge der Sitzplatzauswahl an den beiden Abenden optimal, wenn auch rein willkürlich entstanden.

Das Bühnenbild hat mir sehr gut gefallen (einen kleinen Eindruck davon bekommt man im Trailer am Ende dieses Posts), weil es eher sparsam daherkommt und trotzdem gut die Geschichte unterstützt.
Der runde, drehende Teil der Olivier-Bühne sorgt für schnelle Szenenwechsel, die dem langen Stück sehr gut tun. Außerdem wird vor allem in den Kampfszenen die volle Größe der eindrucksvollen Bühne ausgenutzt und mit fahrbaren Aufbauten gearbeitet.
Und auch der versenkbare Teil der Rundbühne wird geschickt eingesetzt, um die Geschichte zu unterstützen, ohne für Längen beim Umbau zu sorgen.
Die Livemusik war nicht immer mein Fall, auch wenn sie durchaus stimmungsvoll ist und insgesamt sehr gut zum Ton der Inszenierung paßt.
Gar nicht gestört haben mich die modernen Kostüme, die vor allem im Fall von Okonedo ganz großartig aussehen, mich teilweise amüsiert haben (wer hat nur die weiten, weißen Hosen für Antony ausgesucht?) und im Fall der Doppelreiher von Antony vielleicht ein klein wenig zu viel des Guten waren.
Aber da Mr. Fiennes diese Teile auch privat trägt, kann ich dem Kostümdepartment wohl keine allzu großen Vorwürfe machen.

Die Schauspieler sind alle großartig und mit ganz viel Freude bei der Sache. Ich glaube ich habe auf der Bühne noch nie einen so homogenen Cast gesehen, vor allem nicht bei einem Stück, wo man erwartet, dass die bekannten Namen alle anderen mit ihrer Performance wegblasen.
Besonders erwähnenswert ist hier für mich Fisayo Akinade als Eros, der fast jede Szene, in der er mitspielt, stiehlt.
Außerdem muss er einmal auch vollen Körpereinsatz zeigen, wenn Cleopatra ihm, als dem Überbringer schlechter Nachrichten, den Hals umdrehen will.
Gut gefallen haben mir auch die alten Hasen Katy Stephens als Agrippa (gelungener Gender swap) und Tim McMullan als Enobarbus, denen man die Spielfreude, aber eben auch die Routine ansieht.

Sophie Okonedo, die für ihre Cleopatra gerade (verdient) einen EST Award als beste Hauptdarstellering gewonnen hat, tobt mal wie eine Furie über die Bühne, gibt mal die reizende oder zerknirschte Geliebte oder agiert als machtvolle Herrscherin.
Und sie zeichnet ihre Cleopatra als würdigen Gegenpart zum Antony von Fiennes, der seinen Zenit zwar überschritten hat, aber eben nicht das willenlose, liebestolle Spielzeug von Ägyptens Königin ist.

Ja, Antony ist durchaus als tragische Figur zu sehen, aber das gilt genauso für Cleopatra, denn beide bedingen den Untergang des jeweils anderen, ohne groß irgendetwas dagegen tun zu wollen oder zu können.
Fiennes spricht dabei Shakespeares Englisch ein bißchen so, als würde er sich aktuell übers Wetter austauschen, vollkommen unaufgeregt und flüssig und ich glaube, das macht ihn unter anderem zu so einem guten Darsteller, was Shakespeare angeht.
Außerdem ist für mich die Ausstrahlung, die der Mann auf der Bühne entfaltet, echt der Hammer.
Da ist schon ein ziemlich hochtouriges Charisma am Werk. Und auch sein EST-Award-Gewinn ist für mich verdient!.

Außerdem mag ich den Humor, den sowohl Okonedo als auch Fiennes in ihre Darstellung legen.
Ich hätte nicht gedacht, dass man bei einem Shakespeare-Stück, abseits seiner Komödien so viel zu lachen hat.
Allerdings lachten Teile des Publikums am zweiten Abend auch an etwas für mich unpassenden Stellen, was wohl während der Spielzeit öfter mal vorgekommen ist, was am ersten Abend aber gar nicht der Fall war.
Begeistert hat mich auch der kurze Gesang von Fiennes – er ist zwar sicher kein Jonas Kaufmann, aber er kann definitiv singen und die Einlage kam für mich vollkommen überraschend, was sicher einen Teil meiner Begeisterung erklärt.

Schön fand ich übrigens am zweiten Abend auch, dass Fiennes scheinbar durchaus über sich selbst lachen kann.
Wenn Mann nämlich gerade den sterbenden Feldherren gibt, der doofe Blutbeutel nicht aufgeht und man sich deswegen so tief vorne überbeugt, dass die Nase an den Knien hängt einen abzappelt und der Sterbende, als er endlich Blut beschmiert am Boden liegt, ein kurzes Grinsen nicht verbergen kann, zeugt das meiner Meinung nach durchaus für ein klein wenig Selbstironie.
Allerdings wäre mir das alles von weiter oben und wenn ich das Stück am Abend zuvor nicht schon einmal gesehen hätte, gar nicht unbedingt aufgefallen.
Genau wie die interessante Tatsache, dass der römische Feldherr von Welt mit lackierte Zehennägel durch die Welt läuft…..nur gut, dass meine Fuß-phobische Begleitung nur am ersten Abend und in sicherer Entfernung dabei war!

Oh, habe ich überhaupt schon erwähnt, dass natürlich auch die Chemie zwischen Okonedo und Fiennes und damit auch zwischen Antony und Cleopatra stimmt.
Die Figuren sind keine Zwanzig mehr, aber ich konnte die Leidenschaft füreinander sehen und das ist meiner Meinung nach für diese Geschichte wahnsinnig wichtig.

Nach meinem Fazit gefragt, habe ich ein paar Tage nach den Vorführungen erzählt, dass mich das Stück nicht so berührt hat, wie zum Beispiel ‚The Crucible‚ 2014.
Ich glaube, dass liegt zum einen an der Distanz, die die Sprache Shakespeares immer für mich schafft und die bei modernen Stücken nicht gegeben ist.
Und zum anderen liegt es vielleicht auch daran, dass ich im Fall von Antony und Cleopatra kein Problem mit ihrem Ende habe.
Versteht mich nicht falsch, ich fände es nach wie vor schöner, wenn auch dieses Pärchen zusammen in den Sonnenuntergang hätte reiten dürfen, aber die historische Wahrheit sieht eben anders aus.
Und was wäre ein Antony ohne Cleopatra? Cleopatra ohne Antony?

Was diese Inszenierung für mich zu einem absoluten Highlight macht, ist nicht das Stück an sich, sondern die großartige Art und Weise wie dieser Dreieinhalb-Stunden-Marathon auf die Bühne gebracht wurde, ohne Längen (ich habe an beiden Abenden nicht einmal auf die Uhr geschaut), dafür mit echter Schlange, wunderbar ausgestattet und mit tollen Schauspielern.
Ich werde mich ziemlich sicher noch an diese beiden Theaterabende erinnern, die beide durch die verschiedenen Perspektiven auf eigene Art lohnenswert waren, die Magie, die nur dem Theater innewohnt entfesselt haben.
Die so gesammelten Eindrücke bleiben hoffentlich so präsent, wie sie das nach einem Monat stellenweise noch sind.

‚Antony & Cleopatra‘ beim National Theatre (das Stück wird noch bis zum 19.1.2019 in London gezeigt)
Infors zur NTlive-Übertragung des Stücks am 6.12.2018 gibt es hier

Vorab-Teaser, der beim Shooting für das Plakat entstanden ist

Der Trailer für die NTlive-Übertragung

Sophie Okonedo und Ralph Fiennes über ihre Rollen

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6 Antworten zu Antony & Cleopatra – National Theatre – 2018

  1. Servetus schreibt:

    I feel like 3.5 hours of theatre in a foreign language are tiring, unless you really love the piece or have it memorized or something. (I make an exception for the Berliner Ensemble. But I love Faust and yet I hesitate to book a seat for it in German. Goethe is hard for me to listen to.)

    Can’t wait to see this via NTLive.

    Gefällt 1 Person

  2. Herba schreibt:

    @Servetus: It sure is. But when it’s good it’s worth it!
    Re Goethe: For you and nearly every single pupil who has to read Faust for school 😉
    Can’t wait to hear what you’ll have to say afterwards!

    Gefällt 2 Personen

  3. Pingback: “If you find him sad, say I am dancing”: NT Live’s Antony & Cleopatra | Me + Richard Armitage

  4. Pingback: National Theatre Live: Anthony & Cleopatra | nellindreams

  5. Pingback: Sophie Okonedo und Ralh Fiennes sprechen über ‚Antony & Cleopatra‘ | Unkraut vergeht nicht….oder doch?

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