Unorthodox (Originalversion)

Die neunzehnjährige Esther „Esty“ Schwartz (Shira Haas) lebt bei ihren Großeltern (Dina Doron, David Mandelbaum) im New Yorker Stadtteil Williamsburg in Brooklyn und gehört der jüdschen, ultra-orthodoxen Religionsgemeinschaft der Satmarer Chassiden an. Sie weiß, dass sie anders als viele andere in ihrer Gemeinschaft ist und beschließt sich auf eine arrangierte Heirat mit Yakov „Yanky“ Shapiro (Amit Rahav) einzulassen.
Doch das Eheleben gestaltet sich durch Einmischungen von außen, Probleme beim Sex und die daraus resultierende Kinderlosigkeit schwierig.
Als Yanky die Scheidung fordert, beschließt Esty zu fliehen und ihr Glück in Berlin, der Heimat ihrer Vorfahren, zu suchen…

Nach ‚Ich bin Dein Mensch‚ war ‚Unorthodox‘ die zweite Regiearbeit von Maria Schrader, die ich geschaut habe und für mich hat sich auch das Anschauen dieser produktion gelohnt.
Mit Shira Haas wurde eine starke Schauspielerin für die Hauptrolle gecasted und ich war von ihrem Können wirklich mehr als beeindruckt, auch wenn mir ihre leicht atemlose Spielweise manchmal ein wenig auf die Nerven ging.
Ebenfalls gut gefallen hat mir Amit Rahav als Yanky, der als Produkt seiner Umgebung so ziemlich alles falsch macht, was man als junger Ehemann vermutlich falsch machen kann und mir dann doch am Ende leid getan hat.
Der Vierteiler hat mich vermutlich so mitgerissen, weil Esty weiß, dass sie anders ist und doch so hart versucht, sich in die Gemeinschaft, in der sie lebt, einzupassen.
Als das schließlich scheitert, nimmt sie all ihren Mut zusammen, um neu anzufangen und sich ein neues Leben aufzubauen, obwohl sie sich in dieser anderen Welt kaum auskennt.
Sicher geht sie dabei teilweise auch ein wenig blauäugig vor, aber wenn man in einer anderen Welt aufgewachsen ist, ist das vermutlich kein Wunder.
In Berlin bekommt sie zwar bedingt Hilfe, Esty wird aber nie wirklich an die Hand genommen, sondern muss sich alles irgendwie selbst mit viel Mut erkämpfen. Ich glaube, das ist es hauptsächlich, was mich so für sie eingenommen hat.
Außerdem muß ich zugeben, dass ich die Szenen, die in Williamsburg in Estys altem Leben spielen – die Serie vermischt Rückblicke aus New York mit Estys aktuellem Leben in Berlin – extrem spannend fand.
Vielleicht auch, weil orthodoxe Juden mit ihrer Kleidung und ihren Frisuren auf mich immer ein wenig aus der Zeit gefallen wirken.
Ob und wenn ja zu wie viel Prozent die Darstellung dieser ultra-orthodoxen Religionsgemeinschaft hier authentisch ist, kann ich nicht beurteilen.
Die Kritikpunkte, die ich im Hinblick auf Authentizität beziehungsweise Darstellungsweise der Gemeinschaft gelesen habe, konnte ich jedenfalls nur sehr bedingt oder auch gar nicht nachvollziehen.
Dass eine Gemeinschaft von verheirateten Frauen zum Beispiel einfordert, sich den Kopf zu rasieren, ist ja nun wirklich kein Zeichen von Wertschätzung und nur ein banales Beispiel dafür, dass Frauen hier definitiv weit weniger Rechte als Männer genießen.
Auf die Idee, dass man hier antisemitische Stereotypen fördert, weil Estys Großvater Wohnungen vermietet, bin ich beim Schauen auch nicht gekommen, doch natürlich kann ein Antisemit sich an dieser Stelle auf die Schulter klopfen und sich denken ‚Ich habs schon immer gewußt.‘.
Nur kann er oder sie das auch, wenn einer der Darsteller zum Beispiel eine große, krumme Nase hat und hier würde ja auch keiner auf die Idee kommen, den oder die Betroffene auszusortieren, oder?
Auch die Kritik an einer ‚Verkitschung‘ Berlins als Hort für Juden aus aller Welt, habe ich so nicht wahrgenommen, aber bei all diesen Punkten bin ich als Nicht-Betroffene definitiv auch die Falsche, um ein fundiertes oder abschließendes Urteil abzugeben.
Dass nur für Außenaufnahmen in den USA gedreht wurde und man ansonsten in Berlin filmte, wäre mir beim Schauen nie in den Sinn gekommen.
Die beiden verschiedenen Schauplätze sind so unterschiedlich, dabei aber klar inszeniert, was Licht und Farbgebung angeht und die Innen- und Außenszenen, die in Williamsburg spielen, wirken so aus einem Guß, dass mich das als Laie auf jeden Fall überzeugt hat.
Allgemein gefällt mir der Look der Miniserie sehr gut, genau wie der Soundtrack, der für mich stimmig die Geschichte unterstützt.
Der Cast besteht hauptsächlich aus (für mich) unverbrauchten Gesichtern, was ich hier sehr angenehm empfand.
Spannend fand ich im übrigen auch, dass viel Jiddish gesprochen wird. Diese Sprache klingt vertraut in meinen Ohren, weil man, wenn man Deutsch spricht, Wörter tatsächlich versteht, andere dann wieder komplett fremd klingen.
Insgesamt halte ich ‚Unorthodox‘ für eine sehenswerte Miniserie, mit starken Frauenfiguren, tollen Schauspielern und einer Handlung, die zu fesseln und zu bewegen weiß und trotzdem in manchen Momenten auch humorig daherkommen kann.

Das ‚Making of‚, das Netflix direkt im Anschluss an die Miniserie abspielt, fand ich im Übrigen auch sehr interessant.

‚Unorthodox‘ bei Netflix Deutschland

Ein Trailer in der OV, also Jiddisch und Englisch mit dt. Untertiteln

Ein deutscher Trailer

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15 Antworten zu Unorthodox (Originalversion)

  1. nettebuecherkiste schreibt:

    Hm, ist also nicht wirklich eine Verfilmung von Deborah Feldmans Buch, sondern nur daran angelehnt. Ich habe neben „Unorthodox“ auch einen Roman über eine chassidische Jüdin gelesen, The Romance Reader von Pearl Abraham, kann ich durchaus empfehlen. Vor allem die Kleidungsregeln sind für unsereins echt absurd.

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  2. Herba schreibt:

    @Nette: Ja, den Produzenten und auch Feldman selbst war es wohl wichtig den Berlin-Anteil der Geschichte stark zu verändern. Die Teile der Geschichte, die in Williamsburg spielen, sind wohl näher am Buch dran. Danke für die Empfehlung. Noch ein Buch für die Wunschliste.
    Hier gibts übrigens das ganze Making off: https://www.youtube.com/watch?v=k_F_0ZDJIYA

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  3. Servetus schreibt:

    I can say about the hair: it’s maintained differently in each individual „sect“ of traditional or ultra-orthodox Jews, but the general principle is that among married women, the hair has to be covered except in the presence of one’s husband or other females. Some groups go with a very short haircut (when shaved, it’s usually cropped very short, not shaved bald) + wig, some with chin length hair kept under covering in informal situations + wig in formal ones. The wigs are very expensive, to the point that the number and style are typically matters of discussion / negotiation in a dowry, and these days they’re most often sourced from India; Wearing your hair free / showing your hair as an adult is a sign that you are not married.

    And of course there are Jewish landlords. My goodness.

    I haven’t seen the film but I have read the book and (in the interval, some criticisms of the book from inside the Haredi community, which I didn’t know about when I originally read the book). It’s probably best regarded as fiction about the author’s life in specific (her own story is heavily altered), but keeping in mind that its author has left a very restrictive community on poor terms with it, an accurate description of how she feels about it. Some things that she describes as happening to herself may not have happened to her, but are generally known to occur in settings like this (esp sexual naivete and its consequences).

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  4. Ich habe nur den ersten Teil gesehen, war aber beeindruckt. Das Lebenskonzept der Orthodoxen in New York war für mich allerdings nicht fremd, da ich schon zwei, drei anderen Filme über sie gesehen habe.

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  5. Esther schreibt:

    Ich mochte diese Serie auch sehr und fühlte sich für mich ziemlich der Wirklichkeit dieser Welt entsprechend.

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  6. Guylty schreibt:

    Als du kürzlich schriebst, dass Maria Schrader auf deinem Radar gelandet ist (wegen “Ich bin dein Mensch”), wollte ich dir eigentlich auch sofort Unorthodox empfehlen. Ich fand die Miniserie unglaublich gut gemacht – spannende Geschichte, wenn auch sicher in Teilen etwas sehr zugespitzt oder simplifiziert. Hat aber natürlich die Dramaturgie gestützt. Hatte mich auch gefreut, dass eine deutsche Serie auch international so erfolgreich aufgenommen wurde.

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  7. Herba schreibt:

    @Servetus: The shaven hair under a wig makes totally sense from a practical point of view.
    I had a co-worker who was jewish (not orthodox) and she told me she dyed her hair because she grew up in an family where women shouldn’t show her natural hair. But we never found the time to talk more in dept about it…

    That’s how I would have interpreted it without knowing much about the author or reading the book before watching the show. Thanks for clarifying!

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  8. Herba schreibt:

    @AequitasEtVeritas: Ganz fremd ist mir diese Welt auch nicht, aber ich finde, gerade die Männer sehen immer sehr aus der Zeit gefallen aus. Die Stirnlocken, die Hüte, die schwarzen Mäntel, das alles wirkt altmodisch(?), wie aus einer anderen Zeit…

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  9. Herba schreibt:

    @Esther: Das freut mich und durch Deine Verbindungen zum Judentum ist das definitiv ein zusätzliches Lob für die Serie.

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  10. Herba schreibt:

    @Guylty: Ja, das ist definitiv ganz großes Kino! Und vielleicht war/ist die Serie auch so erfolgreich, weil sie keine typisch deutsche Produktion ist bzw zumindest nicht so aussieht.
    Ich bin gespannt, was Schrader als nächstes auf der Agenda hat!

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  11. Servetus schreibt:

    … and honestly, a good reason to stay single. I’d hate it if I had to spend that much time thinking about my hair.

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  12. Guylty schreibt:

    Da bin ich auch gespannt. Sie hat sich jedenfalls als Regisseurin fest etabliert!

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  13. Herba schreibt:

    @Servetus: I totally second that!

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  14. Herba schreibt:

    @Guylty: Das stimmt. Zu schauspielern scheint sie momentan jedenfalls gar nicht mehr. Aber wenn sie weiterhin bei so tollen Projekten Regie führt, kann ich damit leben.

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  15. nettebuecherkiste schreibt:

    Danke für den Link!

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