James Bond – Keine Zeit zu sterben

Achtung, der folgende Blogpost setzt Wissen aus ‚Spectre‘ voraus! Die weißen Stellen in den unteren Absätzen sind Spoiler und können durch Markieren sichtbar gemacht oder ignoriert werden.

 
James Bond (Daniel Craig) kommt aus dem wohlverdienten Ruhestand zurück, um noch ein letztes Mal die Welt zu retten und gegen alte und neue Feinde zu kämpfen…
 
Irgendwie ist es ja schon passend, dass ich für den Blogpost zu einem Film, der Jahre später als ursprünglich geplant in die Kinos kam, auch gefühlt ewig gebraucht habe.
Wenn ich nicht so müde gewesen wäre, hätte ich den Post eigentlich direkt nach meinem Besuch im Autokino am Startwochenende tippen können.
Aber erst mußte ich dringend schlafen, dann kam eine Erkältung dazwischen und dann fehlte mir die nötige Ruhe.
Aber wenigstens habe ich nur knapp 2 1/2 Wochen gebraucht und keine zwei Jahre 😉

Obwohl besagtes Autokino nur knapp 25 Minuten mit dem Auto entfernt liegt, war ich tatsächlich zum allerersten Mal dort, denn als ich Teenie bzw. Anfang/Mitte Zwanzig war, liefen dort gefühlt nur uninteressante Filme, weil das Geld für Publikumsmagnete fehlte und der Betreiber war kurz davor das Handtuch zu werfen.
Zwei Jahrzehnte später boomt das Geschäft – auch wegen Corona – und das Programm beinhaltet eigentlich immer einen bis zwei Blockbuster.
Und wenn der entgültige Starttermin des lang ersehnten Films schon auf den eigenen Geburtstag fällt, will frau ihn auch zeitnah sehen, wenn es auch nicht direkt am Veröffentlichungstag und auch nicht in der OV geklappt hat. Da war dann das eigene Auto eine wunderbare Alternative zum Kinosessel, bei dem ich die Ansteckungssorge irgendwie immer noch nicht so recht aus dem Kopf bekommen habe.
Die ausgesuchte Begleitung – mein Freundeskreis war erstaunlich sperrig, was das Thema Autokino angeht, daher mußte die große Schwester herhalten – war frühzeitig für den Autokino-Newsletter angemeldet worden, hatte auch glücklicherweise den Wink mit dem Telefonmast verstanden und kutschierte mich, samt Decken, Getränke und mitgebrachter Snacks frühzeitig zu einem hervorragenden Stehplatz, in Reihe Drei direkt vor der großen Leinwand.
Beide Vorstellungen (es gibt eine große und eine kleinere Leinwand, die gleichzeitig mit Bond bespielt wurden) waren restlos ausverkauft und am Ende wurden auch noch zwei Reihen vor den eigentlichen Reihen gebildet, was mir definitiv zu nah dran gewesen wäre.

Aber genug des Gelabbers Vorgeplänkels und zum Film – ohne Spoiler!

Ich hatte vorher versucht, meine Erwartungen im Normalbereich zu halten und nach dem zweiten Trailer aufgehört irgendetwas wo ‚Bond‘ draufstand zu konsumieren, um Spoilern zu entgehen und das gefühl zu vermeiden, dass ich das Meiste des Films schon aus Ausschnitten kenne, was mir erstaunlicherweise auch gut gelungen ist.
Der Look des Film ist eine Mischung aus ‚QoS‘ und Skyfall, also einerseits sonnig und hell, andererseits aber auch düster, was mir gut gefallen hat.
Allgemein mag ich die Bildsprache, die Regisseur Cary Fukunaga hier benutzt, sehr.
Die Actionszenen, sind wie gewohnt bei Craigs Bond, sehr gut und unterhaltsam choreografiert und haben mir beim Anschauen viel Spaß gemacht.
Und Daniel Craig hat mir auch in seinem fünften Bond-Film als desillusionierter (Ex)-Agent gefallen, der versucht ein anderes Leben zu führen und es doch nicht schafft, den Geistern der Vergangenheit aus dem Weg zu gehen.
Einige alte Weggefährten wie Jeffrey Wright als CIA-Agent Felix Leiter dürfen bei Craigs letztem Bond-Film nicht fehlen und auch seine unverzichtbaren Kollegen M (Ralph Fiennes), Q (Ben Whishaw) und Moneypenny (Naomie Harris) bekommen ihren kurzen Auftritt – leider dieses Mal ohne groß Akzente setzten zu dürfen.
An Bonds Seite ist einmal mehr Dr. Swann, für die ich mich, dank Léa Seydoux, mittlerweile tatsächlich erwärmt habe. James hätte es durchaus schlechter treffen können, wenn man mich fragt.

Leider hat ‚Keine Zeit zu sterben‘ neben dem tollen Cast aber auch mit einigen Schwächen zu kämpfen.
Enttäuschend fand ich zum Beispiel sämtliche Bösewichte. Christoph Waltz fand ich ja schon in ‚Spectre‘ etwas verschenkt und auch in ‚Keine Zeit zu sterben‘ bekommt er nicht mehr Möglichkeiten, sein Können zu zeigen.
Und wieso Rami Malek von vielen so gelobt wird, hat sich mir nach seinem Auftritt als Lyutsifer Safin (ist dem Drehbuchschreiber bei diesem Vornamen die Katze über die Tastatur gelaufen?) nicht wirklich erschlossen.
Das kann zugegebenermaßen aber auch daran liegen, dass Safin als Charakter sehr klischeehaft entworfen ist und für mich nicht an großartige Bond-Bösewichte wie Le Chiffre oder Raoul Silva herankommt. Nur gestört reicht leider nicht immer, um für das gewisse Etwas zu sorgen.
Gestört hat mich auch das Location-Hopping, auch wenn es nicht ganz so schlimm wie bei ‚QoS‘ war und auch die Handlung von ‚Keine Zeit zu sterben‘ für mich definitiv mehr Hand und Fuß hat, auch wenn es auch hier mal wieder gedanklich einige Logiklöcher zu stopfen gibt.

Nicht gestört haben mich hingegen die fehlenden klassischen Bond-Zutaten, die von Bond-Puristen zu Recht beklagt werden.
Denn ja, es fehlen viele Bond-typische Dinge, die die Figur des Bond in der alten Ära geprägt haben.
Allerdings hat Craig Bond nie so gespielt und daher finde ich es nur konsequent, die Rolle zeitgemäß anzupassen.
Dass es dann Menschen gibt, die den Untergang des Abendlands herbeireden, weil 007 kurzzeitig eine Frau ist – und NICHT James Bond, nur der Agent mit der Nummer 007, das ist ein Unterschied! – hat mich persönlich ehrlich gesagt, ziemlich erheitert.
Nebenbei bemerkt macht Lashana Lynch als Agentin Nomi (zum Nachnamen hats dann nicht mehr gereicht, die 007 muss langen) keine schlechte Figur und hat mir im Zusammenspiel mit Craigs Bond gut gefallen. Genau wie Ana de Armas als Agentin Paloma, die leider viel zu wenig Screentime hatte.
Was habe ich über sie und Bond lachen müssen. Craigs Gesicht während des Dialogs mit ihr und dem Anzug war einfach herrlich.
Aber die Verwirrtheit von Bond, darüber dass die junge Dame ihm nur beim Umziehen helfen und mitnichten mit ihm in die Kiste springen will ist halt auch genau mein Humor.
Und selbst meine Begleitung, die zuerst darüber grummelte, dass Bond keinen Spaß macht, wenn er monogam lebt, kam daheim, also circa eine Stunde nach Ende des Films, zu dem Schluss, dass das doch eigentlich ganz passend war.
Insgesamt kann ich durchaus verstehen, dass Zuschauer die klassischen Bondzutaten vermissen, verstehe nur nicht ganz, dass das Craigs Bond gerade im fünften und letzten Teil so stark vorgeworfen wird.

Dass ich den Titelsong mal wieder eher suboptimal fand, habe ich ja nun schon öfter erzählt, daher will ich gar nicht näher darauf eingehen. Der Soundtrack an sich ist mir, bis auf das immer wiederkehrende Bond-Theme nicht besonders im Gedächtnis geblieben – weder positiv noch negativ.

Insgesamt habe ich mich von ‚Keine Zeit zu sterben‘, trotz der Länge des Films (163 Minuten) gut unterhalten gefühlt und verbuche ihn unter ’stimmiges Ende‘ für die Ära Craig, auch wenn er sicher nie zu meinem Lieblings-Bond-Film mit Craig werden wird.

Nun bin ich gespannt, wie die Bond-Macher das Franchise nach diesem Film-Ende wieder einmal neu erfinden und wer dafür als neuer Bond ausgekuckt werden wird.
Sicher dürfte bisher nur sein, dass es keine Frau wird – hat zumindest Frau Broccoli gesagt – und das ungefähr 80 Prozent der immer wieder genannten Kandidaten keinerlei Chance auf die Rolle haben dürften, auch wenn ihr Name noch so oft genannt wird.

Mein ausführlicher Eindruck zu ‚Skyfall‘ nach der Erstsichtung 2012
Mein ausführlicher Eindruck zu ‚Spectre‘ nach der Erstsichtung 2015
Meine Eindrücke zu allen vier Bond-Filmen mit Craig bei meiner Bond-Rewatch 2019
‚keine Zeit zu sterben‘ als DVD bei Amazon.de (Affiliate-Link)

Ein deutscher Trailer

Ein englischer Trailer

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21 Antworten zu James Bond – Keine Zeit zu sterben

  1. Guylty schreibt:

    Genialer TRick mit weißer Schrift auf weißem Hintergrund – habe deine Filmkritik mit großem Interesse gelesen, obwohl ich wohl den Film in nächster Zukunft nicht sehen werde. (Mir geht es mit dem Kino so wie dir – derzeit noch keine Lust, mich 2,5 Stunden lang mit anderen in einen geschlossenen Raum zu setzen.) Danke dafür.

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  2. Servetus schreibt:

    I’m still not going to see it, but I appreciated your very detailed review here!

    Malek: I think he was great in Mr Robot, but I think he won for Bohemian Rhapsody out of a series of coincidences, including the fact that several of the nominees were in films few people had seen). He wasn’t bad in that role but it was mimickry, not acting (a trend that annoys me more and more as I enter the curmudgeon phase of my life).

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  3. aradaghast schreibt:

    „Gefährliche Wahrheit“ TV ARTE
    Thriller I 🙂 🙂 🙂

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  4. Herba schreibt:

    @Guylty: Danke 🙂 Freut mich, dass der Post auf Dein Interesse gestoßen ist.
    Ich überlege schon seit einer Woche, ob ich ihn mir nochmal im ’normalen‘ Kino in der OV anschauen sollte, konnte mich bisher aber echt nicht aufraffen. Wobei ich ja auch wieder drei tage die Woche pendle, von daher wäre Kino auch schon egal, aber…

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  5. Herba schreibt:

    @Servetus: Thanks!

    My comment might be a bit unfair insofar as I haven’t seen mr Robot and BR, so I really don’t get the fuss about him. DOn#t get me wrong, he isn’t bad. I only expected a Bond baddie as good as Bardem or Mikkelsen and he wasn’t in my opinion.

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  6. Guylty schreibt:

    Ich hätte hier ggf. vielleicht die Möglichkeit, das Ganze in einer Nachmittagsvorstellung anzuschauen. Da wäre wohl weniger im Kino los – das wäre dann auch ein Weg um die ganze Coronaschose drum rum… Muss mal nachgucken.

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  7. Herba schreibt:

    @Guylty: Das stimmt natürlich und die Actionszenen lohnen sich schon auf der großen Leinwand. Schwierige Entscheidung…

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  8. Servetus schreibt:

    I think it’s a bit weird to cast him as a villain. It’s certainly casting against type.

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  9. Herba schreibt:

    @Servetus: I can understand why they casted him for this role. But the script doesn’t give him enough to really shape and own the role imo if that makes any sense.

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  10. Michele Marsh schreibt:

    Herba I’ll only chime in here to say I didn’t think Malek was good as the villain I think it was miscast. Ana and DC were together in Knives Out so I liked their chemistry here and she looked great here
    I wish I had seen Spectre again first before No Time.
    Great review as always

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  11. Herba schreibt:

    @Michele: Sadly de Armas had only a little role in JB, but I like her too.
    I’ll watch all of DCs Bonds as soon as the last one will be out on DVD.
    Thanks!

    Gefällt 1 Person

  12. Michele Marsh schreibt:

    Yup I thought it would have been bigger too. I like DC as Bond. I need to rewatch QOS now too. I have a special place in my heart for CR of course 😉🤗

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  13. Herba schreibt:

    @Michele: Lots of fun for the rewatch!

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  14. Michele Marsh schreibt:

    Herba thank you ❤️I did enjoy Spectre more on second watch

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  15. Herba schreibt:

    @Michele: ah, sometimes it is a good idea to risk a second look 🙂

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  16. Michele Marsh schreibt:

    Yes especially when I clearly miss key plot elements that get mentioned in subsequent movies 😂😂

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  17. Herba schreibt:

    @Michele: I saw all of DC’s Bonds a few times (except QoS) but I am sure I also missed a few things 😉

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  18. Michele Marsh schreibt:

    Herba not much I’m sure you’re eye for detail is fabulous ❤️👍

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  19. Herba schreibt:

    @Servetus: Yes, very interesting, thanks for sharing!
    Well, the movie grossed 600 millions so far, so maybe they’ll reach the goal of 800 or 900 million dollar and the studios loss won’t be as big as anticipated

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  20. Pingback: Medienjournal: Media Monday #548 | Unkraut vergeht nicht….oder doch?

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