Schwarze Adler

Was bedeutet es für schwarze Fußballnationalspieler*innen, das Trikot der Nationalmannschaft zu tragen und für Deutschland zu spielen? Und wie sieht der Alltag von diesen Spieler*innen aus?
Guy Acolatse, Otto Addo, Gerald Asamoah, Anthony Baffoe, Cacau, Rigobert Gruber, Jimmy Hartwig, Steffi Jones, Erwin Kostedde, Jean-Manuel Mbom, Patrick Owomoyela, Beverly Ranger, Shary Reeves und Jordan Torunarigha erzählen von ihren Erfahrungen…

Nachdem ich gestern eine Reihe verschiedener Dokumentationen zur ‚Neuen Rechten‘ geschaut und unglaublich wenig geschlafen habe, weil es in meinem Teil der Welt wirklich tropisch war, bin ich heute Morgen mit unglaublich schlechter Laune aufgestanden und dachte mir: ‚Was soll’s?! Dann kann ich auch gleich weitermachen und mir die Doku ‚Schwarze Adler‘ anschauen.‘

Die Doku geht mehr oder weniger chronologisch vor – zumindest bei den Männern – und beginnt beim ersten schwarzen Nationalspieler Kostedde, der, genau wie Jimmy Hartwig, Kind eines amerikanischen Soldaten und einer deutschen Mutter war.
Kostedde ist einer der Spieler*innen, denen man anmerkt, welch großen Auswirkungen der Hass und die Beschimpfungen auf sie hatte und immer noch hat.
Hartwig ist ein Beispiel für die Art von Menschen, die dem Hass mit Humor begegnen und über so manche vollkommen absurde Situation auch lachen kann, was ich unglaublich bewundere, mir persönlich aber vermutlich in ähnlicher Situation unglaublich schwer fallen würde.
Die Geschichten fokusieren sich natürlich ganz stark auf die Nationalmannschaft und sind beim Thema Rassismus oft beschämend ähnlich.
Ohne diese Fokussierung wäre der Film wahrscheinlich doppelt so lang geworden, aber ich habe mir beim Schauen öfter mal gewünscht auch etwas mehr über die jeweiligen Vereine der Spieler*innen zu hören und ob dort zumindest die Unterstützung eine andere ist/war, wenn schon das Verhalten mancher Fans leider immer wieder gleich ist.
Viele eingespielte Ausschnitte aus Spielen oder Interviews haben mir eine Gänsehaut der schlechten Sorte verursacht und darüber, dass es auch im 21. Jahrhundert noch möglich ist, dass ein Spieler (ich meine hier Jordan Torunarigha), der während eines Spiel fortwährend rassisitsch beleidigt wird und dann irgendwann die Fassung verliert, vom Platz fliegt, kann ich nur den Kopf schütteln.
Mir ist bewußt geworden, wie feige/gleichgültig/ängstlich wir als Gesellschaft sind, wenn es darum geht, klare Kante zu zeigen.
WO sind die Mitspieler*innen, die Offiziellen, die anderen Fans, wenn die berühmten ‚Einzelfälle‘ ihre braune Gesinnung auspacken und Fußballer*innen beleidigen, denen man, wie im Fall von Asamoah zwei Monate früher noch für dem WM-Gewinn kollektiv zugejubelt hat?
WO sind die empfindlichen Strafen des Dachverbands nach solchen Aktionen, die ohne Rücksicht auf das Standing des jeweiligen Vereins verhängt werden?
Mir haben die geschilderten Erlebnisse wirklich weh getan, zumal ich diese Ausgrenzung und diesen Hass nicht verstehe und ehrlich gesagt schäme ich mich auch dafür, dass es solche Vorkommnisse in der Gesellschaft in der ich lebe, immer noch gibt.
Letzte Woche habe ich auf Twitter erst wieder eine Diskussion zum Thema ‚Hinknien‘ gelesen, bei der mehr als eine Person die Meinung vertrat, dass ‚die sich nicht so anstellen sollen, schließlich verdienen die überzogen viel Geld, da muss ein bißchen rassistisches Beleidigen schon drin sein‘.
Wenn ich dann die Bilder aus ‚Schwarze Adler‘ ansehe, bei der mehr als eine der interviewten Personen den Tränen nahe war, packt mich die blanke Wut.
Vieles was gesagt wurde, wird mich sicher länger verfolgen/begleiten. Von Jimmy Hartwig, der den größten Idiotenchor der Welt dirigiert hat, über Shary Reeves, deren größter Traum es war, für die Nationalmannschaft zu spielen und die diesen Traum dann aufgab, weil sie ständig rassistisch diskriminiert und beleidgt wurde, bis hin zu Otto Addo und Jordan Torunarigha, die nicht verstehen können, wie Menschen so sein können.
Leider habe ich auch keine Lösung außer Betroffenen zuhören, dazulernen und vielleicht auch einfach mal klar Kante zeigen, wenn es gilt.
Glauben, dass es hoffnungslos ist, will ich nicht, aber an so Tagen wie heute, bin ich auch nicht sonderlich hoffnungsvoll.
Vor allem dank Querdenkern, noAfdlern und ‚richtigen‘ Deutschen, die sich von Vielfalt und einer liberalen Gesellschaft bedroht fühlen.
Insgesamt halte ich ‚Schwarze Adler‘ für immens wichtig, auch wenn man über die eingesetzte Musik und die Zwischenüberschriften sicher streiten kann.
Und ich würde mir wünschen, dass sehr viele Menschen sich das Ganze anschauen, auch solche, die nichts mit Fußball am Hut haben, um zu spüren was Rassismus anrichtet und das Betroffene eben nicht etwas Nebensächliches kleinreden oder sich wichtig machen wollen!

‚Schwarze Adler‘ in der ZDF-Mediathek (verfügbar bis 17.07.2021)
‚Schwarze Adler‘ als Stream bei Amazon Video (Affiliate-Link)

Ergänzend zur Dokumentation empfehle ich im Übrigen ausnahmsweise die Talkshow ‚Markus Lanz‘ vom 17.6.2021 in der Mediathek der ZDF (verfügbar bis 17.07.2022?).
Hier wird noch deutlicher, wie sehr Otto Addo unter Rassismus gelitten hat.
Außerdem fand ich die Beiträge von Ewald Lienen zum Thema stellenweise ebenfalls hörenswert.

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17 Antworten zu Schwarze Adler

  1. Guylty schreibt:

    Ich habe die Doku vorgestern mit meinem GäGa angeschaut und war stellenweise tatsächlich sprachlos. V.a. die eingeblendeten Ausschnitte aus Fernsehsendungen der 50er und 60er Jahre waren hochgradig “unangenehm”. Dieser beiläufige Rassismus, der als Fürsorge kaschiert wurde, war einfach unglaublich. Auch die Ausschnitte aus dem Sportstudio mit Wim Thoelke waren in ihrer selbstverständlichen Frauenfeindlichkeit echt hart anzuschauen. Da sind wir Gottseidank heute schon ein bisschen weiter. Aber angesichts der Ereignisse um Jordan T kann man direkt konstatieren, dass wir längst nicht weit genug sind.
    An der Doku hat mir besonders gefallen, dass ausschließlich die Betroffenen gesprochen haben und dass es keine weiteren Erklärungen vom Filmemacher gab. Die Erlebnisse der Männer und Frauen sprechen in der Tat für sich. Allerdings fand ich, dass die Doku nur so etwas wie ein erstes Kapitel war. Denn Rassismus im deutschen Fußball ist ja wohl sicher nicht nur der Rassismus, der den Spielern von Medien und Fans entgegengebracht wird. Da hat sich auch Ewald Lienen in die Tasche gelogen, wenn er behauptet, dass “im Sport” so etwas nicht vorkommt. Denke mal, dass man in einem zweiten Kapitel auch mal beleuchten müsste, wie verbandsintern und vereinsintern Rassismuss systemisch war oder ggf. noch ist.
    Dennoch insgesamt eine absolute Muss-sehen-Doku. Pflichtprogramm!

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  2. Pingback: Medienjournal: Media Monday #521 | Unkraut vergeht nicht….oder doch?

  3. Ulrike schreibt:

    Vielen Dank für diesen wichtigen Beitrag, den ich mir ansehen werde

    Jimmy Hartwig ist mir ein Begriff, da er in meiner Heimatstadt geboren ist und für „meinen“ Verein gespielt hat.

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  4. mwj schreibt:

    Ich habe den Film am Freitag spät abends im ZDF gesehen. Viele der geschilderten Ereignisse und Erlebnisse sind erschreckend. Unfassbar unangenehm fand ich auch die Ausschnitte aus Sportsendungen mit abwertenden Bemerkungen der Moderatoren. Aber gleichzeitig habe ich über den humorvollen Umgang mit den Angriffen durch Jimmy Hartwig und Anthony Baffoe („Du kannst bei mir auf der Plantage arbeiten!“) sehr gelacht.

    Ein ungemein wichtiger Film, der eigentlich um 20:15 hätte gezeigt werden müssen und nicht erst um 23:30 Uhr. Aber durch die ZDF-Mediathek und Amazon wird er immerhin eine große Reichweite erzielen. Hoffe ich zumindest.

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  5. Servetus schreibt:

    I agree that the local clubs / regional associations should be answering a lot of questions about this kind of thing. What are they ignoring on a regular basis that leads to such punishing for the players / embarrassing for Germany situations on the national stage?

    (That said it’s probably worse in the US — we learned recently that when the NFL calculates payouts for players with traumatic brain injuries, they pay Black players less due to antiquated theories that postulate that their IQs are lower to begin with #racenorming)

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  6. aquasdemarco schreibt:

    Sehenswert

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  7. Esther schreibt:

    Sehr interessant, ich werde auch reinschauen.
    Rassismus im Fussball ist auch hier in den Niederlanden ein Thema. Unser Fusball Bund hat eine anti Rassimus Kampagne gestartet mit u.a eine neue App wo Rassistische Vorfälle während Spiele im Stadion gemeldet werden können und dann gleich auch eingegiffen werden kann. Es gibt auch Kurse für Fussball Clubs und noch mehr. https://www.knvb.com/themes/new-laws-of-the-game/diversity-in-football
    Ich weiss noch nicht ob es funktioniert aber es ist ein Anfang.

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  8. Herba schreibt:

    @Guylty: Ja, das ist schwer anzuschauen. Und dann das Gejohle der Zuschauern :/

    Für mich klang durchaus an, dass es auch Rassismus innerhalb der Vereine gibt, aber ja, das wäre durchaus ein wichtiges zweites Kapitel. Und Ewald Lienen ist für mich da ein guter Spiegel der Gesellschaft a la ’nein, bei uns doch nicht!‘ weil nicht sein darf, was nicht sein kann.
    Ich denken in einzelnen Vereinen hängt vieles von den Verantwortlichen und auch den Fans ab. Erwin Kostedde sagt zum Beispiel, dass ihn seine Zeit bei den Offenbacher Kickers aufgefangen hat. Da war er voll akzeptiert und ein Fanliebling.

    Dass es noch viel zu tun gibt, hat ja die letzten Tage auch die UEFA eindrucksvoll bewiesen. Da werden beim Gruppenspiel der Ungarn groß die rechtsradikalen Fans gezeigt (bei den Spielen liegt die Regie bei der UEFA), die dann auch noch rassistische Beleidigungen absondern, wogegen nichts unternommen wird.
    Aber wenn München das Stadion in Regenbogenfarben leuchten lassen will, ist das viel zu politisch *bösekuck*

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  9. Herba schreibt:

    @Ulrike: Nichts zu danken.

    Jimmy Hartwig ist ein echtes Original 🙂 Dein Verein = HSV oder OFC?

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  10. Herba schreibt:

    @mwj: Ich bewundere die Beiden auch sehr für diese Schlagfertigkeit und eine gewisse Leichtigkeit. Was passiert, wenn die fehlt, konnte man gut an Otto Addo sehen 😦 was ich im Übrigen gut nachvollziehen kann. Ich könnte in der gleichen Situation auh keine Witze machen, das ist denke ich, sehr typabhängig.

    Die späte Sendezeit verstehe ich auch nicht, aber ich meine das ZDF hat argumentiert, dass verstörende Bilder zu sehen sind und man es deswegen nicht früher zeigen könnte. Tja…

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  11. Herba schreibt:

    @Servetus: Lots of local clubs have fan projects or fan representatives and do at least something against racism, antisemitism and homophobia.
    But it’s never enough, there are not enough sanctions from the DFB when something happens and the other fans who don’t agree don’t do enough when racists spread their hate. At least from my point of view…

    Wow, things like that are really disturbing 😦 mankind still has to go a long way to overcome white supremacy *sigh*

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  12. Herba schreibt:

    Hallo aquasdemarco und danke für Deinen Kommentar.
    Ja, absolut!

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  13. Herba schreibt:

    @Esther: DIe App finde ich eine tolle Idee, wenn es funktioniert und gleich eingegriffen wird.
    Ähnliche Workshops etc. gibt es bei uns auch, ich fürchte nur, dass man damit nicht immer die richtigen erreicht, aber ja, es ist definitiv ein Anfang.

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  14. Guylty schreibt:

    Die Uefa ist ein geldgeiler Saftladen. Ganz unglaublich, was die da treiben. Von wegen, Sport soll nicht für politische Statements missbraucht werden. Ja, genau, eben immer nur nicht für die Politik, die der Uefa nicht passt. Ich finde es absolut skandalös, dass der Laden eine Message der Toleranz und Gleichberechtigung für “politisch” hält. Vielleicht hätte man das auch nie so dezidiert immer nur mit Ungarn in Verbindung bringen sollen. Die Message ist doch allgemeingültig, weil und obwohl Ungarn diese Anti-LGBTQ-Gesetze gerade durchsetzt. Naja, was soll’s der Zug ist abgefahren. Mir hat aber gefallen, wie München darauf reagiert hat. Ich hoffe, die pflastern alles ums Stadion in Regenbogenfarben zu.

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  15. Herba schreibt:

    @Guylty: Du sagst es. Da muss sich einfach strukturell ganz viel ändern!
    Ich finde es toll, dass Stadien in ganz Deutschland heute Abend in den Farben des Regenbogens leuchten werden. In München werden wohl der Olympiaturm und noch einige andere bekannte Gebäude bunt beleuchtet werden. Und ich bin wirklich gespannt, wie es im Stadion aussehen wird und ob die Nationalmannschaft irgendein Zeichen setzt.
    Und hoffentlich bleibt es friedlich. Ich habe gerade gelesen, dass eine ultra-rechte Fantruppe aus Ungarn in München dabei sein wird und könnte mir gut vorstellen, dass sie sich nicht zurückhalten werden 😦

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  16. Guylty schreibt:

    Klasse, ich wusste nicht, dass die anderen Stadien stattdessen ein Regenbogenzeichen setzen.
    Dass da natürlich auch unerwünschte Fangruppen anreisen, ist unerfreulich. Hoffentlich bleibt’s ruhig.

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  17. Herba schreibt:

    @Guylty: Ich weiß gar nicht, welche Stadion mitmachen, aber Köln und Frankfurt waren gestern mit die ersten, die das angekündigt haben. So nach dem Motto: Wenn München nicht darf, dann springen eben wir ein. Finde ich auch echt gut!

    Ja, das hoffe ich auch. Und falls die doch rassistisch beleidigen oder ähnliches wird hoffentlich schnell und hart durchgegriffen. Dass ist nämlich auch öfter mal ein Problem. Die Polizei und/oder der Sicherheitsdienst in Stadien schaut viel zu lange zu… :/

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