Mord im Orient Express (2017, Originalversion)

Hercule Poirot (Kenneth Branagh) ist auf der Rückreise von Jerusalem, wo er einen Fall aufgeklärt hat.
In der Türkei bekommt er durch seine Bekanntheit noch einen Platz im voll ausgebuchten Orient-Express.
Am zweiten Tag der Reise bleibt der Zug in Kroatien im Schnee stecken und der unangenehme Amerikaner Samuel Ratchett (Johnny Depp) wird erstochen in seinem Abteil aufgefunden.
Wer hatte ein Motiv den Mann umzubringen? Ganz auf sich gestellt, muss Poirot dieses Mal ermitteln.
Wird er den Mörder trotzdem zur Strecke bringen können?

So, nun habe ich es also auch getan und mir die neueste Adaption des bekannten Christie-Stoffs angeschaut…
Vielleicht fange ich erstmal mit dem Positiven an. Die Optik des Films, wenn auch manchmal vielleicht einen Tick zu künstlich, macht zumeist durchaus etwas her und die Kostüme haben mir wirklich gut gefallen.
Außerdem fand ich es schön, Depp endlich mal in einer halbwegs normalen Rolle zu sehen.
Und Branagh hat mich als Nicht-Französisch-Sprecher/Kenner durchaus mit seinem französischen Akzent überzeugt, den er auch durchgängig auf für meine Ohren gleichem Niveau durchgehalten hat.
Dazu kommt, dass er und Olivia Colman in einer (kurzen) Szene relativ überzeugend Deutsch sprechen.
Und es werden für mein Dafürhalten auch alle Figuren aus dem Buch übernommen, was in der von mir sehr gemochten Adaption von 2010 nicht der Fall war.
Leider bin ich damit aber auch schon am Ende der psoitiven Dinge, die mir zum Film einfallen, angelangt.
Besonders negativ ist mir der Bart von Branagh als Poirot aufgefallen. Dieses Ungetüm hat mich gerade am Anfang ständig abgelenkt, weil er fast wie ein ganz eigener Charakter wirkt, an dem der Blick des Zuschauers viel zu häufig hängenbleibt – wirklich schlimm und für Poirot meiner Meinung nach auch unpassend.
Allgemein kann ich nicht sagen, dass ich den Belgier besonders gut dargestellt fand. Ja, der Gute weiß den großen Auftritt durchaus zu schätzen, aber bei Branagh wird mir das gerade zum Ende zu viel zu theatralisch.
Auch das Anschmachten des Fotos einer jungen Frau hat mich nicht überzeugt, obwohl ich nichtmal sagen kann, ob das eventuell sogar in der Vorlage vorkommt.
Dazu paßt dann auch, dass ich die eingebaute Action als unpassend und überzogen empfinde.
Vielleicht war es in dieser Hinsicht ein Fehler kurz vor dieser Adaption die ältere mit Suchet zu schauen. Aber wenn ich mir vorstelle, dass Suchets Poirot diese Szenen spielen soll, kriege ich das nackte Grausen, vielleicht wirkt daher Branagh noch unglaubwürdiger.
Schade fand ich ebenfalls die komplette Verschwendung des großartigen Casts.
Hier darf wirklich niemand größer in Erscheinung treten und sein Können zeigen, was bei Darstellern wie zum Beispiel Judi Dench und Derek Jacobi grob fahrlässig anmutet.
Und dass außer vielleicht Michelle Pfeiffer niemand tieferen Eindruck bei mir hinterlassen hat, obwohl die Geschichte fast zwei Stunden Zeit hat, um Figuren vorzustellen, spricht meiner Meinung nach auch für ein schwaches Drehbuch.
Genervt hat mich im Übrigen auch die Szenen, bei denen Darsteller nur von oben gezeigt werden und man ihre Gesichter nicht sehen kann.
Wenn man damit die Enge des Zugs verdeutlichen wollte, ist das in meinem Fall ziemlich in die Hose gegangen.
Die klaustrophobische Enge des im Schnee steckend Zuges habe ich zu keiner Zeit gespürt, aber wenn quasi alle fünf Minuten jemand spazieren geht, obwohl der Zug auf einer Brücke steht, ist das auch nur schwer möglich.
Überhaupt fehlt mir insgesamt die klassische Stimmung, die Agatha Christie in ihren Geschichten verbreitet.
Vielleicht wäre es mutiger gewesen die Geschichte ganz neu zu denken, sie gleich richtig aufzumotzen und einen Film in Form der ‚Kingsman‘-Reihe abzuliefern.
Das hätte ich persönlich zumindest logischer gefunden, als diesen Film, der sich meiner Meinung nach nicht entscheiden kann, was er eigentlich sein will.
Und so weiß auch ich nicht, ob das eine klassische Adaption werden sollte, die aber trotzdem modern wirken und dadurch frischer daher kommen sollte.
Für mich funktioniert das alles nur sehr, sehr bedingt und als Interpretation von Christies Geschichte eher gar nicht.
Trotzdem gab es durchaus die ein oder andere Stelle, die mich unterhalten hat und zwar immer dann, wenn ich kurzzeitig verdrängt hatte, dass Hercule Poirot ermittelt.
Sobald diese Prämisse zurückkam, war es aus mit der Unterhaltung und ich habe eher mit dem Kopf geschüttelt, als mich unterhalten gefühlt.

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Ein deutscher Trailer

Ein englischer Trailer

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16 Antworten zu Mord im Orient Express (2017, Originalversion)

  1. Servetus schreibt:

    Agree. The film is beautiful, but it has no energy or direction. And it’s not because I read the book when I was 12 and have known how the story ends for roughly four decades. It’s too obsessed with its own significance (and that of its cast). One of Christie’s great strengths as an author is her skill at directing the audience to look in a particular (deceptive) direction, and this film doesn’t have that quality.

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  2. Wortman schreibt:

    Ich kann mir nicht helfen aber wenn ich nur an Hercule Poirot denke, habe ich sofort das Gesicht von Peter Ustinov vor Augen.
    Ich gebe dir Recht, der Bart von Poirot ist viel zu massig.

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  3. Herba schreibt:

    @Servetus: So much talent, a great story and a big budget and an result as weak as that….mind-boggling!
    And I am not sure if the second try will be any better….

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  4. Herba schreibt:

    @Wortman: Er war ein toller Poirot.
    Der ist so groß, der sollte eine eigene Gage kriegen 😉

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  5. Wortman schreibt:

    Schön gesagt 🙂

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  6. Seelenkompott schreibt:

    Diese neue Verfilmung hat mich auch nicht gepackt. Ich fand sie zudem überdigitalisiert, nichts schien echt an Set und Umgebung. Die Version von 1974 mit Albert Finney bleibt mein Favorit. 🙂

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  7. Michele Marsh schreibt:

    I fell asleep through the middle of it
    I agree a waste of a terrific cast
    The surroundings outside the train were luscious 😊

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  8. Nicole Kirchdorfer schreibt:

    Der Bart ein eigener Charakter hahahahaha…der ist gut…..ich hab neulich „Der Professor“ mit Jonny Depp als todgeweihtem Englischprofessor gesehen. Durchaus empfehlenswert….

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  9. mwj schreibt:

    Also ich fand die Kameraeinstellungen von oben vor allem beim ersten Mal noch recht gelungen. Es hat mich auch sehr überrascht wie perfekt Branagh und Colman die Szene auf Deutsch hinbekommen haben. In der deutschen Synchronfassung sprechen sie an der Stelle übrigens Niederländisch.
    Ansonsten hast du im Wesentlichen alle Kritikpunkte, die ich in der Rezension zu meinem kürzlichen Rewatch bereits genannt habe, ebenfalls aufgeführt.
    Es gibt übrigens noch eine Fernsehfilm-Adaption mit Alfred Molina als Poirot. Die spielt in der Gegenwart und ist (soweit ich mich erinnern kann) einfach unfassbar öde.

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  10. Herba schreibt:

    @Seelenkompott: Nachdem ich vor einer Woche noch geschworen hätte, dass statt Albert Finney Peter Ustinov die Hauptrolle spielt, sage ich dazu lieber nichts 😉 Aber das die Version von 1974 besser ist, als die hier, glaube ich dir blind!

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  11. Herba schreibt:

    @Michele: Ouch, that sure is another sign for the lack of quality.

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  12. Herba schreibt:

    @Nicole: Danke für den Tipp, muss ich mir mal näher anschauen!

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  13. Michele Marsh schreibt:

    I woke up after the pivotal scene too 😂😂😂

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  14. Herba schreibt:

    @mwj: Ja, das war wirklich beeindruckend. Ich muss mal forschen, ob es da schon Vorkenntnisse gab.
    Molina als Poirot? Oh je, das kann ich mir gerade so gar nicht vorstellen.

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  15. Herba schreibt:

    @Michele: *lol*

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  16. Pingback: Tod auf dem Nil (2022, Originalversion) | Unkraut vergeht nicht….oder doch?

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