26. April 1986, Ukraine:
Im Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl nahe der 1970 gegründeten ukrainischen Stadt Prypjat wird in der Nacht vom 25. auf den 26. April eine Simulation durchgeführt, bei der ein vollständiger Stromausfall simuliert wurde.
Aufgrund von signifikanten Sicherheitsverstößen und baulich bedingten Eigenschaften des Reaktors, kam es am 26. April zu einer Explosion des Reaktors und dadurch zu einer nuklearen Katastrophe, die auf der internationalen Bewertungsskala mit der Höchststufe bewertet wurde.
‚Chernobyl‘ stellt nicht nur die Vorgänge rund um die Nuklearkatastrophe dar, sondern zeigt auch, was hinterher passierte…
‚Chernobyl‘ ist eine dieser Serien, um die ich unglaublich lange herumgeschlichen bin. Die internationale Co-Produktion von HBO und Sky ist schließlich keine leichte Kost und basiert auf eine wahre Begebenheit, die unglaublich viele Menschen ins Unglück gestürzt hat.
In Zeiten einer Pandemie nicht unbedingt die Unterhaltung, die ich schauen möchte, weil die Stimmung eh schon im Keller hängt.
Aber vor zwei Wochen hatte ich plötzlich irgendwie Lust drauf und ich habe mir die fünf Folgen der Miniserie bei Sky angeschaut, allerdings nicht gebingt, wie ich das sonst oft mit solchen kurzen Serien mache, sondern mit teilweise sogar ein bis zwei Tagen zwischen den einzelnen Folgen.
Dass zwei Tage nachdem ich durch war bekannt wurde, dass Paul Ritter mit nur 54 Jahren an einem Hirntumor verstorben ist, machte das Ganze für mich noch tragischer. Mr. Ritter, ich werde Sie vermissen!
Mit Paul Ritter bin ich auch schon bei der großen Stärke dieser Produktion: die starken schauspielerischen Leistungen, die gezeigt werden und zwar meiner Meinung nach von den Hauptdarstellern genauso wie von den Nebendarstellern.
Ritter spielt Anatoli Djatlow, den stellvertretenden Chefingenieur des Kernkraftwerkes, der die Simulation leitete, die den Unfall verursachte, mit so viel Gehässigkeit und Verachtung für seine Untergebenen, dass ich bei den Szenen im Kontrollzentrum des Reaktors immer wieder zusammengezuckt bin.
Was für ein verachtenswerter Mensch und vermutlich totales Produkt des Systems, in dem er lebte.
Die für die Geschichte zentralen Darstellungen liefern allerdings Jared Harris als Wissenschaftler Waleri Legassow und Stellan Skarsgård als sowjetischer Politiker Boris Schtscherbina.
Die beiden Männer sind eigentlich Gegner oder scheinen zumindest mit sehr gegensätzlichen Aufträgen betraut zu sein.
Während der eine durch und durch Politiker und darauf bedacht ist, die Parteiobersten in Moskau zufriedenzustellen, ist der andere durch und durch Wissenschaftler, der die Auswirkungen der Katastrophe eindämmen und den Ursachen auf den Grund gehen will.
Ihre ständige Auseinandersetzung, die Zusammenarbeit und schließlich die Entwicklung der beiden Figuren macht für mich im Rückblick einen großen Reiz der Serie aus, zumal sie mit Emily Watson eine ebenfalls großartig aufspielende Kollegin zur Seite gestellt bekommen haben, deren erdachte Figur Ulana Chomjuk den beiden Männern immer wieder den Spiegel vorhält und ihnen nichts durchgehen läßt.
Letztendlich gehören vor allem auch die beiden Männer zu den Opfern der Reaktorkatastrophe, vielleicht auch, weil sie sich wissentlich der Strahlung ausgesetzt haben.
‚Gewürzt‘ wird diese Haupthandlung mit kleineren Nebenhandlungen, zum Beispiel mit der tragischen Geschichte des Feuerwehrmanns Wassili Ignatenko (Adam Nagaitis) und dessen Frau Ljudmila (Jessie Buckley), die für das Schicksal der vielen Hilfskräfte und deren Familien stehen, die vor Ort Dienst taten und teilweise wissentlich, teilweise unwissentlich ihr Leben gaben.
Ebenfalls sehr bewegt hat mich die Geschichte der Bergleute, die für die Kühlung des Reaktors einen Schacht graben mußten oder die rund um Pawel (Barry Keoghan) und Bacho (Fares Fares), die mich erstaunlicherweise fast zum Abschalten gebracht hat. Was sagt es über mich aus, dass ich menschliches Leid besser ertragen kann, als das von Tieren?
Unglaublich wütend gemacht hat mich alles, was mit den Verantwortlichen im Kernkraftwerk (neben Ritter spielen hier Con O’Neill und Adrian Rawlins) und mit Politikern aus Moskau zu tun hat. Selbstsucht und Vertuschungswahn hoch zehn.
Eine weitere Stärke der Miniserie ist für mich die Visualisierung der Katastrophe. Und dabei meine ich nicht nur den zerstörten Reaktor, sondern zum Beispiel auch Geisterstädte nach der Evakuierung, Männer, die kaum geschützt radioaktiven Schutt beiseite räumen oder ein Kellerraum, in dem strahlende Kleidung aufbewahrt wird.
Auch die musikalische Untermahlung ist gelungen, trägt einerseits zur Beklemmung des Stoffs bei, übertreibt beziehungsweise überdeckt aber nicht die Handlung.
Kritisiert wird öfter mal, dass die Serienmacher bei den Folgen der Katastrophe übertrieben haben und somit die Wahrhaftigkeit des Stoffs leidet.
Diesen Vorwurf kann ich nicht ganz beurteilen, finde aber, dass man als Zuschauer durchaus wissen kann, dass man keine Dokumentation, sondern eine Inszenierung einer wahren Begebenheit anschaut und somit auch mit gewissen Ungenauigkeiten rechnen muss.
Einem anderen Aspekt dieser Kritik kann ich mich allerdings anschließen. So sehr ich die Schauspieler, die hier mitwirkten auch schätze, gerade in den ersten Folgen fand ich es sehr befremdlich, dass Ukrainer, Russen, etc. durch die Bank weg von Briten gespielt werden.
Hier hätte ich mir wirklich einen Cast gewünscht, der wenigstens hier und da mit den richtigen Ethnien besetzt worden wäre.
Insgesamt hat das zwar am Ende für mich der Wahrhaftigkeit keinen Abbruch getan, trotzdem hätte man das besser lösen können.
Trotz kleinerer Kritikpunkte halte ich ‚Chernobyl‘ allerdings für eine absolut sehenswerte, bedrückende, tragische und auch aktuelle Serie, die in Frage stellt, wie wir als Menschheit mit den Folgen von Technologie umgehen.
Ob wir wohl jemals aus Geschichten wie dieser lernen werden?
‚Chernobyl‘ bei Pro7
‚Chernobyl‘ bei Sky Deutschland
‚Chernobyl‘ bei HBO
Die Serie im deutschen Fernsehen – Termine
‚Chernobyl‘ als DVD bei Amazon.de und als Stream bei Amazon Video (Affiliate-Links)
Ein deutscher Trailer
Ein englischer Trailer
Die Serie ist wirklich gut.
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@Nomadenseele: Finde ich auch. Aber definitiv nichts, was ich öfter schauen möchte
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So langsam, aber sicher könnte ich die Serie schon mal wieder sehen. Ich hatte sie meinen Eltern auf DVD gekauft, mal sehen.
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@nomadenseele: Ab morgen hättest Du die Chance bei Pro7 😉
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Werbefernsehen…nein, danke.
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Die möchte ich mir auch mal ansehen.
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@Wortman: Es lohnt sich, finde ich
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Hab ich schon von einigen Leuten gehört.
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@Wortman: Man darf halt nicht sonderlich zart besaitet sein, aber Du dürftest damit keine Probleme haben 😉
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Nöö, das bin ich nicht. „Slasher“ gehört zu meinen Lieblingsserien und „SAW“ zu den Filmen 😆
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Pingback: Medienjournal: Media Monday #511 | Unkraut vergeht nicht….oder doch?
Ich schaue ja eigentlich keine synchronisierten Sachen mehr, hmm. Hab auch gestern erst einen Film geschaut (Capote). Mal sehen, vielleicht investiere ich lieber die 10 Euro in den Stream der Originalfassung, zumal ich Pro7 nicht in HD habe.
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@Nettebuecherkiste: Könnte ich verstehen, bin ja mittlerweile auch ein Anhänger von der englischen OV
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