My Zoe

Eine nahe Zukunft, Berlin:
Die Genetikerin Isabelle (Julie Delpy) hat eine Scheidung hinter sich und streitet sich heftig mit ihrem Exmann James (Richard Armitage) um das Sorgerecht für die gemeinsame Tocher Zoe (Sophia Ally), die Isabelle alles bedeutet.
Nach einer familiären Tragödie schafft es Isabelle nicht ihre Tochter loszulassen und reist nach Moskau, wo sie mit Hilfe des bekannten Arztes Dr. Fischer (Daniel Brühl) alles dafür tun möchte, um ihre Tochter wiederzubekommen…

Julie Delpy ist eine Filmschaffende, deren Name ich zwar kenne, aber von der ich so gut wie gar nichts gesehen habe und der ich ziemlich neutral gegenüberstehe.
Ihre siebte Regiearbeit hätte mich vom Thema her allerdings eher nicht interessiert, wenn nicht die Besetzung relativ spannend wäre.
Und da ich das Glück habe, ein wirklich vielfältiges Kinoangebot nutzen zu können, habe ich mir ‚My Zoe‘ am Mittwoch auf der großen Leinwand angeschaut – allerdings nicht, wie ursprünglich geplant in der Originalversion, sondern synchronisiert.
Und auch zwei Tage später finde ich es relativ schwierig den Film für mich einzuordnen.
Visuell ist der Film ansprechend und stimmig inszeniert und die auffällig fehlende Filmmusik setzt ein mutiges Zeichen dafür dem Zuschauer nicht mit dem Holzhammer Gefühle aufzudiktieren, was mir wirklich gut gefallen und auch nicht gefehlt hat.

Wirklich gefehlt hat mir hingegen eine einzige Figur, die mir halbwegs sympathisch erscheint oder deren Handlungen ich im Ansatz nachvollziehen kann.
Die Hauptfigur Isabelle ist dafür kein bißchen geeignet. Sie entwickelt sich von der liebenden, aber trotzdem Helikopterartig agierenden Mutter zu einer Frau mit einer Mission, für die niemand außer sie selbst noch zählt.
In einem Interview habe ich folgendes Zitat von Delpy gelesen: „Egoistisch?“, unterbricht Julie Delpy. „Alles, was Isabelle tut, ist ein Akt der Liebe.“ und halte das für eine eher gewagte These.
Ich bezweifle zwar nicht, dass Isabelle Zoe liebt und kann auch nachvollziehen, dass Menschen in tiefer Trauer ‚merkwürdige‘ Dinge tun, aber schon in der ersten Hälfte des Films erschien mir Isabelle wahnsinnig egoistisch.
Daher kam bei mir auch schon da die Frage danach auf, ob sie nun wirklich ihre Tochter liebt, oder ob sie Zoe eher als Verlängerung von sich selbst sieht und sie deshalb liebt.
Wenn Isabelle im zweiten Teil des Films auf ihrer Mission ist, bulldozt sie wirklich alles nieder und die vollkommene Auslassung der Konsequenzen, die ihr Tun nun mal haben wird, haben mich doch sehr gestört.

Der Kindsvater James gibt auf der Sympathieebene genauso wenig her. Er wirft seiner Ex konsequent ihren Beruf vor und knallt ihr an den Kopf eine schlechte Mutter zu sein, die sich nach der Schwangerschaft nicht sofort wieder für ihn attraktiv gemacht hat und sich deshalb auch nicht über den fehlenden Sex in der Beziehung zu wundern braucht.
Außerdem kann er nicht verstehen, wieso sich Isabelle hat scheiden lassen und sucht zwischen Beschimpfungen immer wieder ihre Nähe.
Die daraus resultierenden Umarmungen wirkten selbst auf mich in meinem Kinosessel extrem klaustrophobisch und mir ging bei diesen Szenen öfter mal das ein oder andere ungalante Schimpfwort durch den Kopf.
Isabelle mag keine Heilige sein, aber Männer wie James braucht nun wirklich niemand!

Auch die Krisenbewältigung der Beiden, als es zur Katastrophe kommt, hat sie mir nicht wirklich näher gebracht. Isabelle ist extrem stoisch, James lebt seine Trauer aus.
Beides habe ich im richtigen Leben schon miterlebt und kann so also nicht sagen, dass der eine authentisch war und der andere nicht, aber es brachte für mich eben nicht mehr Nähe zu den Figuren mit sich.
Nur in einer sehr kurzen Szene mit James, die mich an einen Theaterbesuch in London erinnert hat, habe ich kurz so etwas wie Mitleid mit dem Vater empfunden, weil sein Schmerz so tief zu sein scheint und sogar über die Leinwand bei mir ankommt.

Allgemein spielen Beide gut und auch an Brühl und Gemma Arterton ist nichts auszusetzten.
Nur konnte mich eben die Handlung letztendlich nicht überzeugen.
Die erste Hälfte, die sich sehr stark auf das Beziehungsdrama fokusiert, wirkt glaubhaft, wenn vielleicht manchmal auch ein wenig überspitzt.
Dann macht die Handlung jedoch einen kräftigen Schlenker und die Geschichte erhält einen Dreh, der mir persönlich zu wenig ausgearbeitet war.
Außerdem wird mir zu wenig auf die Fragen, die das Ganze aufwirft, eingegangen. Und ich fand die Kehrtwende, die sowohl Dr. Fischer, als auch seine Frau, als auch James am Ende machen, nicht gut genug auserzählt. Das kam jeweils eher aus dem Blauen heraus und ich hätte mir mehr Information zum Innenleben der einzelnen Figuren gewünscht.

Zudem halte ich dann die Aussage von Delpy, die auch das Drehbuchgeschrieben hat, dass sie dem Zuschauer keine Meinung aufdrücken wolle, schlicht für falsch.
Denn so wie das Ende konzipiert ist, kann ich durchaus sehen, welche Meinung sie als Hauptverantwortliche zu dem behandelten Thema hat und schon allein dadurch ist eine gewisse Meinung ja vorgegeben.

Ich denke, für mich hätte das ganze mehr Sinn gemacht, wenn die Geschichte beim Familiendrama geblieben oder von Anfang an stärker auf die Handlung des zweiten Teils hingearbeitet worden wäre.
So ist ‚My Zoe‘ für mich ein Film, der sich nicht ganz genau entscheiden kann, was er denn nun eigentlich sein möchte und damit viel vorhandenes Potential verschenkt.
Trotzdem habe ich schon weitaus schlechtere Filme gesehen und kann ihn zudem aus Fangirl-Sicht weiterempfehlen, denn Richard Armitage hat mehr Screentime als gedacht und sein Können ist (auf der großen Leinwand) sowieso immer sehenswert.

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Ein deutscher Trailer

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36 Antworten zu My Zoe

  1. nellindreams schreibt:

    Danke dafür! So ähnlich hatte ich den Film auch gesehen. Keine Sympathie mit den Hauptakteuren ist für mich auch das Hauptmanko. Schade…

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  2. Herba schreibt:

    @Nell: Gerne!
    Ich wüßte gern, ob Delpy das bewußt so inszeniert hat oder ob das eher ungewollt passiert ist.

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  3. nellindreams schreibt:

    Aus lauter Sorge, zu melodramatisch zu wirken? Ich weiß es auch nicht. Zumindest hatte ich den Eindruck, dass sie ihr Anliegen bewusst sachlich rüberbringen wollte.

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  4. Herba schreibt:

    @Nell: Vielleicht.
    Das ist ihr auf jeden Fall gelungen und hat mir in Ansätzen auch gut gefallen. Aber ein bißchen Sympathiefähigkeit fehlte mir dann eben leider doch.
    Ich bin aber auf jeden Fall froh, dass RAs James kein Abklatsch von dem Vater aus Brain on Fire geworden ist, dessen Namen ich gerade nicht mehr weiß

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  5. Michele Marsh schreibt:

    Herba, thank you for this review! I definitely want to see this movie now more than ever. I like Julie’s approach to writing and directing. The other two movies I’ve seen of hers as both writer, producer, director and actor her characters dialogue have been blunt and genuine. I find interesting that James who is supposedly so angry is the one who shows his grief while Isabelle is stoic. I like that dynamic though. I think Julie said so much changed for her when she became a mum in 2009 and then her own mum passed away a few months after her son Leo was born. I don’t know the ending only have read one other review than yours but any tragedy of a broken family is hard to really capture. Ordinary People comes to mind as an excellent approach where the mum (Mary Tyler Moore) was stoic and the dad (Donald Sutherland) was the emotional mess.
    music: I think Julie also a singer/songwriter uses her own music or hardly any in her films but again I have only seen 2 of them.

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  6. mwj schreibt:

    Ich möchte den Film eigentlich auch gerne sehen aber natürlich zeigt den kein Kino hier in der Provinz.

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  7. Herba schreibt:

    @Michele: well, anger is a strong emotion. I don’t know but maybe it’s only logical to make him the emotional one…

    If she stayed with the tragedy this might have been an more coherent movie.

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  8. Herba schreibt:

    @mwj: doof! Hier lief er aber auch nur eine Woche, wenn ich gewartet hätte, hätte ich ihn verpasst

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  9. Michele Marsh schreibt:

    Herba, ahhh ok. I like that James is the emotional one. The guy he played in Brain on Fire was Tom Cahalan. I thought Richard had overacted as him and that Netflix movie was not very good IMO. Carrie Ann Moss was the only good part of it again IMO.

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  10. Herba schreibt:

    @Michele: he plays James very good I think but he isn’t a really nice guy

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  11. Michele Marsh schreibt:

    Herba ahh well Richard can play not nice well too. I am probably in the minority that Raymond De Merville was actually very attractive to me!!

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  12. Herba schreibt:

    @Michele: He sure can!

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  13. Kate schreibt:

    Ich muss wohl auch auf die DVD warten. Keine Chance im Umkreis von 70+ km. 🙁

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  14. Herba schreibt:

    @Kate: echt doof! Hier lief er leider auch nur die eine Woche.
    Vom Visuellen kann man das auch gut im Heimkino schauen, aber das damit verbundene Warten ist blöd!

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  15. Kate schreibt:

    Wird sind ja ans Warten gewöhnt… *schnauf*

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  16. Herba schreibt:

    @Kate: DAS stimmt natürlich. Aber wenn man schonmal könnte….
    Vielleicht tröstet es dich ja, dass dieser James ein echtes A*******h ist?! 😉

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  17. Kate schreibt:

    Nicht wirklich. Aber vielleicht sag ich mit immer wieder, dass die braunen Augen doof sind. Wie hat das auf dich gewirkt? Störend oder vergisst man das, wenn man im Geschehen ist?

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  18. Herba schreibt:

    @Kate: Um ehrlich zu sein, habe ich das nicht wirklich wahr genommen, obwohl ich es wußte und es definitiv die ein oder andere Großaufnahme von seinem Gesicht gibt. Da hat vielleicht auch ein wenig der Kinosaal geholfen, der nach hinten geneigt ist. Man schaut schräg nach oben zur Leinwand und nicht direkt drauf und ich bin ja eh ein kleiner Blindfisch…

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  19. Guylty schreibt:

    Wunderbare Rezension – schön ausführlich und schlüssig argumentiert, auch wenn ich den Film (noch?) nicht gesehen habe. Aus allen (ernstzunehmenden) Rezensionen entnehme ich mittlerweile, dass die fehlenden Identifikationsfiguren das ganze Geschehen irgendwie zu einem Vakuum machen. Angucken würde ich ihn mir trotzdem – allein schon, wenn du sagst, dass RA doch mehr zu sehen ist als erwartet.

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  20. Herba schreibt:

    @Guylty: Danke.
    Einmal das und dann ist wie gesagt die Transformation vom Familiendrama zur Wissenschaftskritik nicht ganz schlüssig.
    Er hat definitiv schon schlechtere Filme gemacht 🙂

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  21. nellindreams schreibt:

    Ich glaube, der hieß Tom. 😉 Ich finde den Film auch sehenswert – mit Abstrichen und Längen. Und viel Helikopter-Eltern-Gehabe. Es ging mir so, dass ich nicht nur James schrecklich fand, sondern auch sie. Und ihn sogar eine Spur menschlicher.

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  22. Guylty schreibt:

    Wahrscheinlich hat die gute Delpy wohl zu viel des Guten gewollt…

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  23. Herba schreibt:

    @Nell: Ja, ich fand sie auch beide schrecklich. Durch den heftigen Streit untereinander frage ich mich eben auch, wie viel wirkliche Liebe für das Kind da ist und wieviel dem eigenen Ego geschuldet ist.
    Daher paßte für mich das Ende auch irgendwie nicht ganz.
    Schade, dass wir zu dem Film so wenig von RA gehört haben! Ich hätte gern gewußt, was seine SIcht darauf ist

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  24. Herba schreibt:

    @Guylty: Ja, wahrscheinlich. Aber ich bewundere definitiv ihre Hartnäckigkeit

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  25. nellindreams schreibt:

    Das wundert mich eigentlich. Aber die deutsche Promo fokussiert sich sehr auf Delpy und Brühl. RA ist die Randerscheinung. 😉
    Allerdings finde ich es durchaus erstaunlich,wie viele Interviews und Artikel zum Film hier in D veröffentlicht wurden und werden. In Mannheim läuft er eine 2. Woche, auch noch 1x in der OV.

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  26. Herba schreibt:

    @Nell: Macht wahrscheinlich aus marketingtechnischen Gründen auch Sinn, aber für uns natürlich schade.
    Ja, ich auch. Mit so viel Buzz hatte ich nicht gerechnet.
    In dem Kino, in dem ich war (wir waren zu dritt), ist er abgesetzt, aber es gibt ein weiteres Kino, dass vor ein paar Wochen erst neu eröffnet wurde und dass ihn dafür seit gestern ins Programm genommen hat, allerdings läuft er da nur einmal am Tag und zwar undankbar um 14 Uhr und nur auf deutsch

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  27. Kate schreibt:

    Aus den Interviews, die ich gesehen habe, habe ich entnommen, dass das zumindest bei James so gewollt war. Sie hat ja RA dafür gelobt, dass er keine Angst hatte, einen richtigen Unsympathen zu spielen, weil viele Schauspieler vor realistischer, alltäglicher Boshaftigkeit zurückschrecken würden. “Interestingly enough, I find that actors are very scared to play someone who is violent but not violent to the point of being a serial killer. You know, actors have no problem playing a serial killer. Like somehow it’s kind of okay, but when it’s a violence that could be in everyone’s life, it gets a little trickier because people are scared of showing that side because there’s a bit of that in all of us, probably.”

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  28. nordlicht schreibt:

    Vielen Dank für diese Rezension. Deine Eindrücke geben im Großen und Ganzen das wieder, was ich mir aus allen Infos zum Film selbst zusammengereimt habe. Ich war ja im Vorfeld der Deutschlandpremiere noch zuversichtlich, dass ich ihn auch im Kino sehen kann. Im Moment siehts aber leider nicht so aus. Extrem ärgerlich.
    Interessant fand ich deine Bemerkung zu den Umarmungen. Tatsächlich gab es da so eine Szene in einem Trailer (nicht dem verlinkten), in der RA JD umarmt hat, die auf mich sehr irritierend gewirkt hat. Konnte das ohne Zusammenhang bei einer so kurzen Sequenz nur nicht genau benennen.

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  29. Esther schreibt:

    Irgendwie hört sich dieser Film kalt und klinisch an, auch wenn es sich um sehr dramatische Themen handelt. Würde es gern sehen, aber ich hoffe immer noch auf endlich mal wieder was warmes vom Armitage!

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  30. Herba schreibt:

    @Kate: Er macht das auch wirklich ganz hervorragend!

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  31. Herba schreibt:

    @Nordlicht: Gerne!
    Doof, dass er nur so limitiert gezeigt wird :/
    Im Zusammenhang macht es natürlich mehr Sinn, aber ich denke es spricht für die beiden Schauspieler, dass die SZene auch so Eindruck auf dich gemacht hat. Ich fand das wie gesagt ziemlich gruselig, weil diese Umarmung nichts mit denen zu tun hat, die man sonst so von RA kennt. Warm und gefühlvoll. Hier scheint er die andere Person fast zu ersticken und man bekommt als Zuschauer eine Ahnung, wieso seine Ex sich getrennt hat.

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  32. Herba schreibt:

    @Esther: Man bekommt schon einiges an Gefühl zu sehen, aber nicht unbedingt auf eine gute Art.
    Ich denke, ich weiß genau was du meinst und ja, das würde ich mir auch wünschen!

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  33. Kate schreibt:

    Da wäre ich sofort dabei. Ich sag ja immer er soll machen was er will, aber so ab und an hätte ich dann doch auch mal gern was, was ich sehen will. 😕

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  34. Kate schreibt:

    Das glaube ich sofort. Das kann er schon gut.

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  35. Herba schreibt:

    @Kate: Ja, wenn es zu abseitig wird, bin ich als Fan irgendwann aufgeschmissen. Auch wenn es natürlich schön ist, durch’s Fansein den Horizont zu erweitern.

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  36. Pingback: Julie Delpy’s ‚My Zoe‘ mit Richard Armitage ist nun als Stream verfügbar | Unkraut vergeht nicht….oder doch?

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