Montagsfrage: Bloggen im Vergleich zu professioneller Literaturkritik?

Ein neuer Montag und eine neue Montagsfrage von Antonia von ‚Lauter & leise‚.

Wer nicht weiß, was die Montagsfrage eigentlich ist, kann hier nachlesen und zur aktuellen Montagsfrage (mit Teilnehmerliste) geht es hier.

Antonia möchte wissen:
Wie sehen sich Blogger im Vergleich zu professionellen Literaturkritikern?

Mmmmmh, ich denke für mich persönlich liegt der größte Unterschied zwischen Buchbloggern und professionellen Literaturkritikern in der Tatsache, dass Literaturkritiker für das ausgebildet sind, was sie tun.
Und vielleicht auch daran, dass sie nicht immer ganz autonom darin sind, was sie besprechen, während ein Blogger sich ganz frei aussuchen kann, was er gern liest und dann bespricht.
Und dann ist natürlich auch meist der Ansatzpunkt ein anderer. Denn während ein Literaturkritiker das Buch, das er bespricht vermutlich in einen gesellschaftlichen/geschichtlichen/politischen Kontext setzt, fokusieren sich die meisten Blogger eher darauf, ein Buch in den persönlichen Kontext zu setzten, sprich: Wieso habe ICH das Buch gelesen und hat MIR das Buch (nicht) gefallen?

Ein weiterer Punkt, der bei diesem Thema auch angeführt wird, ist die Objektivität des Literaturkritikers und die fehlende Objektivität der Buchblogger.
Ich sehe das etwas anders, weil ich finde, dass niemand etwas ganz frei von persönlichen Erfahrungen/Gedanken/Gefühlen bewerten kann. Einen Literaturkritiker sollte das nur, wie einen guten Journalisten allgemein, nicht zu stark beeinflussen und eine persönliche Meinung sollte immer als solche gekennzeichnet sein.
Leider geht das meiner Meinung nach immer mehr verloren, sowohl bei professionellen Buchrezensionen als auch im Journalismus allgemein. Und daher ist das für mich auch kein positives Merkmal von Literaturkritikern.
Ein Buchblogger, der gut begründet, wieso ihm ein Buch gut oder eben nicht gut gefallen hat, ist mir oft tausend Mal lieber, als ein Literaturkritiker, der seine eigene Meinung hinter pseudo-wissenschaftlichen Argumenten zu verstecken sucht.

Wie würdet ihr den Unterschied zwischen Buchblogger und professioneller Literaturkritik definieren?

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11 Antworten zu Montagsfrage: Bloggen im Vergleich zu professioneller Literaturkritik?

  1. Sonja schreibt:

    Es gibt keine Ausbildung zum Literaturkritiker. Rech-Ranicki war erst Lektor, dann freier Schriftsteller. Denis Scheck studierte Germanistik, Zeitgeschichte und Politikwissenschaft. Niemand bringt einem bei, wie man Bücher „richtig“ kritisiert. Man kann sich Textanalyse aneignen, man kann lernen, seine Meinung fundiert zu belegen, aber „Literaturkritiker“ ist ein Jobtitel, den sich jeder aneigen kann. Warum also sollten Blogger, die hier viel Leidenschaft in ihre Texte stecken und Bücher mit Notizen versehen, Zitate sammeln,…. sich nicht auch als Literaturkritiker betrachten? Mehr Mut zu großen Worten 🙂

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  2. Servetus schreibt:

    I don’t care either way but two things are important to me, I suppose. The first is that professional critics have typically read a lot more broadly than book bloggers and as you say they are more likely to put things in context. Some of them have been reading for years and so they have a lot to say — a really great critic like (say) Michiko Kakutani or Reich-Ranicki is putting the book in place in relationship to a tremendous base of knowledge about what’s been written in the last thirty years or more. People like that are educating me about literature and I appreciate that a lot. (And although I did like watching Reich-Ranicki on TV, in general I tend to think it’s better of a professional critic is less so openly opinionated.) The second is that professional critics also tend to be somewhat less focused on the question of „why I liked it,“ which to me is really not the main task of book criticism, particularly when it comes to literary fiction. Literary critics tend to focus more on „why this is significant (or not)“ or „why / how this books works as art (or doesn’t)“ than book bloggers generally do. Which isn’t to say there aren’t some very well educated and erudite book bloggers, of course.

    In terms of recommendations, I tend to look at a literary critic as something more like an instructor and a book blogger as something more like a friend. I get recommendations from both, but for different purposes. Book bloggers tend to focus more on the „why I liked it“ question and there’s a place for that. I’m more likely to read a book reviewed by a critic even if I am aware that they didn’t like it, or I might not like it, because they talk about things like significance and their evaluative criteria are broader. If I read a review by a book blogger, first of all it has to be someone with incredibly similar taste to mine, but second I am much more like to think immediately „no way I’m reading that“ or „definitely on the list.“

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  3. Der Büchernarr schreibt:

    Ja, da gebe ich Dir recht, dass bei so mancher „professioneller“ Kritik nicht ganz klar ist, ob das Buch nun lesenswert ist oder nicht. Da haben sich die Schreiber derart in ihrem Wortgeschwülst verirrt, dass sie dann sagen, dass man dem Kontext entnehmen sollte, ob es was taugt oder nicht. Mir ist es da lieber, wenn jemand sagt, dass ein Buch sich für eine bestimmte Zielgruppe eignet oder eben nicht.

    Viele Grüße
    Frank

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  4. Herba schreibt:

    @Sonja: Ja, ich weiß, aber in der Regel haben sich Literaturkritiker ‚irgendwie‘ wissenschaftlich mit Literatur und/oder Sprache auseinandergesetzt, bevor sie Kritiker wurden. Das unterscheidet sie (zumindest in meinem Kopf) vom ’normalen‘ Buchblogger (neben der Bezahlung).
    Über deren Qualität als Kritiker sagt das natürlich rein gar nichts aus und ich persönlich lese definitiv lieber Buchblogs als professionelle Literaturkritik 🙂

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  5. Herba schreibt:

    @Servetus: I really like your classification of critics as ‚instructor‘ and blogger as ‚friend‘, really well put!

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  6. Herba schreibt:

    @Büchernarr: Hauptsache mal die Kunden verwirrt 😉
    Viele grüße zurück!

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  7. Sonja schreibt:

    Ich glaube, auch unter den Bloggern gibt es viele Germanisten 😉 Und Reich-Ranicki hat überhaupt keine dementsprechende Grundlage gehabt – der war einfach nur sehr klug und zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich glaube, das es einfach schwer ist, die Grenze zu ziehen. Müsste man nicht dann auch von AutorInnen eine wissenschaftliche Grundlage fordern, damit man sie so bezeichnen kann? Sind die nicht eigentlich dichter am Text als der Kritiker? 🙂 Ich denke, da wird sich in den nächsten Jahren noch viel ändern, denn Fernsehen und Zeitungen verlieren an Einfluss und es sind diese Arbeitgeber, die „Literaturkritiker“ einstellen…

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  8. Herba schreibt:

    @Sonja: Mit solch einem Wandel habe ich kein Problem, also immer her damit!

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  9. Sonja schreibt:

    Wird sicher noch spannend. Ich komme aus einer Zeit, als Blogs noch Randerscheinungen waren. Da hat sich in den letzten Jahren ja wirklich sehr, sehr viel getan.

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  10. Herba schreibt:

    @Sonja: Ja und zum Glück bieten Plattformen wie WP und Co ja jedem die Möglichkeit zu bloggen

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  11. Pingback: Die Montagsfrage #57 – Wie sehen sich Blogger im Vergleich zu professionellen Literaturkritikern? (Der Büchernarr) – Lauter&Leise

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