Gute Vorsätze zum neuen Jahr

„Ich fasse es immer noch nicht, dass Du uns an Weihnachten alle so hinters Licht geführt hast!“
Will sah seinen besten Freund Nate mit zusammengekniffenen Augen und gerunzelter Stirn an.
„Mann Will, das hatten wir doch nun in den letzten zwei Tagen ausführlich und in epischer Breite.
Ich war einfach nicht in Weihnachtsstimmung, wollte nicht als Brummbär Nate in die Weihnachts-Annalen 2018 eingehen und habe daher ein bißchen geschwindelt, weil mich sonst mindestens fünf Leute bequasselt hätten doch Weihnachten zu feiern…“
„Ja, okay, das stimmt schon. Aber die Vorstellung, dass Du mutterseelenallein in deiner Wohnung hockst, gefällt mir einfach nicht. Mensch Nate, das kann doch nicht gesund sein!“
Halb gespielt verzweifelt, halb wirklich entnervt warf Nate seine Hände in die Luft.
„Ruft die Männer mit der Hab-mich-lieb-Jacke, Nate Frisk wollte Weihnachten allein verbringen!“
„Das ‚wollte‘ hast Du jetzt schon mehrfach betont, aber was Du wirklich getrieben hast, hast Du nicht verraten.“
„Tja, ihr dürft eben alles essen, aber ihr braucht nicht alles zu wissen!“ feixte Nate, wohl wissend, dass diese Antwort den neugierigen Will keinesfalls befriedigte.
„Wirklich Onkel Nate, uns so mit Deiner Geheimniskrämerei zu ärgern, ist nicht nett!“ schaltete sich nun Michael, Wills Sohn ein.
„Ich habe nie behauptet, nett zu sein. Aber beruhigt euch ihr Zwei, nachher kommt ein Gast zu meiner kleinen Silvesterparty, der es sich ganz sicher nicht nehmen lassen wird, von Weihnachten zu erzählen und so lange werdet ihr es ja wohl noch aushalten.
So und nun genug gequatscht! Helft mir lieber den Champagner und die restlichen Getränke kalt zu stellen.“
Und damit war das Thema für Nate erledigt und er ließ sich weder für Geld, gute Worte oder den anwesenden Damen, die eigentlich sonst wußten, wo man bei ihm die Daumenschrauben ansetzten mußte, dazu bewegen auch nur ein einziges Wort zu Weihnachten zu sagen.

***

Am Abend des gleichen Tages kam Nate zufrieden in seine große, offene Küche und freute sich darüber, dass seine kleine, illustere Gästeschar offensichtlich Spaß zu haben schien.
Will unterhielt sich angeregt mit Nates Bruder Jake, Wills Frau Nina lachte mit Nates Schwester Ellie und seiner Schwägerin Maggie über irgendetwas und Michael spielte mit seinem Bruder Daniel und Nates Nichten Luna und Eva unter lautem Getöse Karten.

Nun fehlte eigentlich nur noch einer und Nate hoffte inständig, dass George, den er an Weihnachten kennen und schätzen gelernt hatte, auch wirklich kommen würde.
Doch da klingelte es auch schon an der Tür und ein strahlender George stand zusammen mit Clarence, seinem Hund, davor.
„Hallo ihr Beiden, schön, dass ihr da seid! Ich hatte schon Sorge, Du hättest es Dir anders überlegt und würdest nicht kommen.“
„Hallo Jungchen! Natürlich kommen wir, schließlich habe ich doch zugesagt. Hier, das ist für Dich.“
George drückte Nate eine Flasche mit edlem Gin in die Hand und umarmte ihn dann kurz aber fest.
„Jaja, ich weiß, ich weiß, das wäre doch nicht nötig gewesen. Aber Clarence und ich fanden es eben doch nötig, also sag einfach danke und halt gefälligst die Klappe!“
Das brachte Nate zum Lachen. „Bin ich so durchschaubar?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er George seinen Mantel ab, strich Clarence zur Begrüßung über den Kopf und nahm den alten Mann und seinen Hund dann mit, um sie den anderen Gästen vorzustellen.

Beim anschließenden Essen betätigte sich der neugierige Will sofort als Inquisitor und quetschte George nach allen Regeln der Kunst aus.
„So, nun erzählen Sie mal George. Wie und wo haben Sie unsren Nate denn kennengelernt?“
„Ihr könnt alle gern Du zu mir sagen, wir sind ja schließlich unter Freunden.“
Leicht verlegen nahm George einen Schluck aus seinem Glas und antwortete dann lächelnd:
„Ich habe Nate am Weihnachtsmorgen beim Einkaufen getroffen und wir hatten eine kleine Grundsatzdiskussion zum Thema Weihnachtsstimmung.“
Die Frauen kicherten und Ellie verdreht die Augen.
„OH je, wie DIE Disskussion abgelaufen ist, kann sich jeder ausmalen, der meinen großen Bruder auch nur ein klein wenig näher kennt.“
George strahlte Ellie an:
„So schlimm war es gar nicht. Zu meinem Glück hatte er nämlich nen guten Zentner Lebensmittel eingekauft, die er eigentlich gar nicht brauchte und war so gleich ordentlich in der Defensive. Ihm dann klar zu machen, dass kein Weihnachten auch keine Lösung ist, war quasi ein Kinderspiel.“
Nate schmunzelte und meinte grinsend: „Oh ja, alles was George dazu brauchte, war der seidene Kimono von Claudine.“
„Bleib ruhig dabei, dass das nicht Dein sexy Fähnchen ist Jungchen, wenn Du dich besser fühlst!“
Alle am Tisch prusteten los.

„Na, auf jeden Fall hat uns Nate dann zum Weihnachtsessen eingeladen, Clarence und mich und wir hatten eine wunderbare Zeit zusammen, oder?“
Michael rutschte bei Georges Worten unruhig auf seinem Platz hin und her.
„Du warst an Weihnachten HIER???“ fragte er Nate entgeistert.
„Ja klar, wo soll er denn sonst gewesen sein? War ja alles wegen dem Schnee lahm gelegt“, erwiderte George an Stelle von Nate, der still vergnügt in sich hinein schmunzelte, weil er sich genau vorstellen konnte, wieso Michael plötzlich so unruhig war.
„Aber….also….ich hätte wohl schon eher etwas sagen sollen. Ich….es gab einen Notfall und da…also…“
„Ach DU hast Lilly verraten, wo der Schlüssel zu Nates Haustür zu finden ist. Ich kann euch sagen, er hat sich ganz schön echauffiert als sie plötzlich mit Sack und Pack in der Diele stand.“
„Oh Gott Onkel Nate, es tut mir SO leid! Ich habe versucht Dich anzurufen, aber ich habe Dich einfach nicht erreicht und es war doch ein Notfall.“

Nate machte ein ernstes, undurchsichtiges Gesicht und sagte kein Wort, um seinen Patensohn ein wenig schmoren zu lassen.
Dafür war George umso gesprächiger.
„Mach Dir keine Sorgen. Der Anfang der Bekanntschaft war vielleicht ein wenig holprig, aber als Nate aufgehört hat mit dem riesen Küchenmesser herumzufuchteln, haben wir uns alle ganz schnell entspannt und wie gesagt zusammen Weihnachten gefeiert, Nate, Lilly, Clarence und ich. War echt schön. Wer hätte gedacht, dass der Kerl so gut kochen kann!“
„Du hast eine fremde Frau mit einem Küchenmesser bedroht?“ fragte Maggie entsetzt.
„Also erstens habe ich niemanden bedroht. Ich war gerade beim Zwiebeln schneiden und hatte das Messer einfach noch in der Hand, als Lilly herein geschneit kam.
Und dann hätte ich dich mal erleben wollen, wenn ein wildfremder Mensch plötzlich in Eurer Wohnung steht!“

„Und dann hast Du sie trotzdem zum Bleiben eingeladen?“ Ellie klang mehr als erstaunt.
Der sonst eher stille Daniel stieß seinen Vater an, grinste und meinte verschmitzt:
„Sie ist sicher hübsch und Onkel Nate hat nichts anbrennen lassen!“ was Will ein wildes Lachen entlockte.
„Nun hört doch mal auf mit den Faxen! Lilly war in Not, also habe ich das einzig Richtige getan und sie eingeladen. Ihr tut grade so, als wäre ich ein Unmensch!!!“ Langsam war Nate doch etwas beleidigt.

Jake beschwichtigte den älteren Bruder. „Ach Quatsch. Wir wissen alle, was für ein netter Kerl du bist.
Aber manchmal bist du eben einfach ein wenig einzelgängerisch drauf und reagierst unwirsch, grade wenn es um fremde Menschen geht.“
Nate seufzte. „Wahrscheinlich hast Du Recht Bruderherz.
Ich kann manchmal schon ein ziemlicher Grummelmeier sein.
Vielleicht sollte ich mir für 2019 als guten Vorsatz mehr Offenheit und gutes Benehmen meinen Mitmenschen gegenüber vornehmen.
Aber nur, wenn Michael sich vornimmt, seinem armen, alten Patenonkel gegenüber offener zu sein und zu beichten, wenn er irgendwelchen Leuten verrät wo der Ersatzhaustürschlüssel zu finden ist.“
„Das ist fest versprochen!“ stotterte Michael erleichtert.
„Und der Rest nimmt sich vor, Dir mehr Gutes zuzutrauen“; versprach Ellie ihrem großen Bruder.

Bei dem allgemeinen Trubel hörte niemand außer Clarence, dass die Haustür geöffnet wurde, doch der Hund war gerade so gemütlich auf Georges Füßen eingerollt, dass er es vollkommen unnötig fand, dem Geräusch auf den Grund zu gehen. Irgendeiner der Menschen würde sich sicher um den Mensch kümmern, der nun zaghaft ‚Überraschung!‘ rief.
Bevor die Silvestergesellschaft reagieren konnte, wurde ein Frauenkopf sichtbar und da sprang auch schon George auf und rief:
„Lily! Du hast es geschafft! Schau Nate, wer da ist!“
Begeistert umarmte der alte Mann die junge Frau, die verlegen aus seiner Umarmung heraus den Gastgeber anschaute.

„Hi! George hat mich eingeladen. Ich habe geklopft, aber es hat mich wohl niemand gehört und na ja, ich weiß ja, wo der Hausschlüssel zu finden ist…“
Nate lachte. „Meine Lieben, dass ist Lily, die Einbrecherqueen, die scheinbar nur in mein Haus einsteigt. Schön, dass Du da bist!“
Nun umarmte auch Nate Lily, was Will dazu veranlasste, seiner Frau und Nates Familie einen vielsagenden Blick zuzuwerfen.
So zugänglich kannte man den Mann sonst definitiv nicht, schon gar nicht, wenn er Menschen erst seit Kurzem kannte.
Um seinen besten Freund ein wenig hochzunehmen, stellte sich Will vor und sagte dann:
„Wir waren gerade bei den guten Vorsätzen fürs neue Jahr. Vielleicht sollte sich Lily vornehmen, nicht mehr bei Dir einzubrechen Nate?“

Nate runzelte bei diesen Worten die Stirn und Lily schaute verlegen auf ihre Schuhspitzen.
Nur George war mal wieder nicht um Worte verlegen und meinte ganz trocken: „Wenn man weiß, wo der Schlüssel ist, ist es kein Einbruch.“
Nun kicherte er verschmitzt. „Wer weiß, vielleicht will Nate ja außerdem, dass Lily bei ihm einbricht und demnächst finde ich dann ihre Nachtwäsche, wenn ich zum Baden vorbei komme.“
Lily, die ihre Sprache mittlerweile wiedergefunden hatte, grinste George an. „Ich trage keine rosa Seidenkimonos.“
Und wieder hatte George das letzte Wort: „Nate auch nicht, höhöhö!“

* * * * * * * * * * * * * * * * *

Dieser Text ist für das Gemeinschaftsblogprojekt von Poe und mir entstanden; das Thema ‚Mach was…mit guten Vorsätzen‘.
Eventuelle Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und vollkommen unbeabsichtigt.
Die Vorgeschichte ‚Kein Weihnachten ist auch keine Lösung‘ kann bei Interesse hier nachgelesen werden.
Gesamter Text © Herba für ‚Unkraut vergeht nicht…oder doch?‘
Bitte nicht ungefragt zitieren oder weiterverwenden!!!

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26 Antworten zu Gute Vorsätze zum neuen Jahr

  1. Guylty schreibt:

    Hehe, dieser rosa Seidenkimono klingt schon gut…

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  2. Kate schreibt:

    Yay, Fortsetzung!! Wunderbar, liebe Herba. 😘

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  3. Rina schreibt:

    Hehehe – sehr sympathische Fortsetzung. 😀

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  4. Herba schreibt:

    @Guylty: Höhö! Leider war das nicht das Richtige für Nates Garderobe an Silvester, aber wer weiß? Vielleicht gibt es mal einen Teil Drei, wo such das rosa Teil als tragenswert anbietet 😉

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  5. Herba schreibt:

    @Kate: danke

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  6. Herba schreibt:

    @Rina: dank dir!

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  7. Guylty schreibt:

    Wenn Lily dann doch noch über Nacht bleibt…

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  8. Herba schreibt:

    @Guylty: Also wenn bekommt sicher nicht Lily das Teil an 😉

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  9. Guylty schreibt:

    Hehe, das hoffe ich… ich dachte bei meinem Kommentar ja auch eher an die sich dabei bietende Gelegenheit, mal schnell einen Kimono überzuwerfen…

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  10. Herba schreibt:

    @Guylty: Ach soooooo. Na, wo ein Wille ist, ist sowieso immer ein Weg. Irgendwie würde ich sogar Guy in das Ding kriegen, wenn ich dramaturgisch wollen würde 😉 *lol*

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  11. Guylty schreibt:

    *grins* Das sind ja tolle Aussichten. Ich finde, *den* solltest du glatt auch noch in die Geschichte mit reinschreiben. 21st century version.

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  12. Herba schreibt:

    @Guylty: Ich glaube das wäre nicht so gut. Nate und Guy in einem Haus, in einer Epoche….das würde sicher ordentlich krachen und am Ende würde Guy weinen 😉

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  13. Guylty schreibt:

    Hahaha, ich fürchte ja eher andersherum…

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  14. Herba schreibt:

    @Guylty: Neeeeeee, eher murkst sich Guy selber ab, so wie der immer mit seinen Waffen rumfuchtelt. Ich mag den Guten mittlerweile ja echt gerne, aber ein Ausbund an ritterlichem Geschick ist er nun wahrlich eher nicht ;P

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  15. Guylty schreibt:

    Nö, da haste Recht… Ich glaub ja sowieso, dass er im 21. Jahrhundert nicht so wirklich gut klar käme. Es sei denn, er könnte irgendwo einen Stadtstaat mit absoluter Monarchie aufziehen.

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  16. Herba schreibt:

    @Guylty: Das müßte aber schon ein sehr, sehr, sehr, sehr kleiner Stadtstaat sein 😉

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  17. Guylty schreibt:

    Das ist Guy wahrscheinlich egal, so lange er da den Macker machen kann.

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  18. Herba schreibt:

    @Guylty: Er könnte in meine Garage ziehen, die ist überschaubar was die Größe angeht und die beiden alten Fahrräder, die da rumstehen, würden ihm die Herrschaft sicher auch nicht streitig machen 🙂

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  19. Guylty schreibt:

    Stell dir mal vor – Guy lernt Fahrradfahren…

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  20. Herba schreibt:

    @Guylty: Awwwww, nu seh ich ihn vor mir….mit Sturzhelm und auf nem Fahrrad mit Stützrädern *kicher*

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  21. Guylty schreibt:

    Oh Scott, wenn ich das in einen Schrein umsetzen könnte… Da muss ich mal in mich gehen…

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  22. Herba schreibt:

    @Guylty: Ein Guy-Fahrradshrine mit Stützrädern? *Roflmao*

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  23. Guylty schreibt:

    Ja. Wäre doch echt geil, oder?

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  24. Herba schreibt:

    @Guylty: Für Fans mit unsrem Humor auf jeden Fall 🙂

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