Am vergangenen Donnerstag gab es endlich mal wieder Theater live im Kino meines Vertrauens.
Wobei ‚Kino meines Vertrauens‘ mittlerweile wirklich gelogen ist, denn das einzige Kino, das in meiner Nähe die NTlive-Übertragungen anbietet, bekleckerte sich noch nie mit Kundenservice, hat aber dieses Mal im Vorfeld der Übertragung wirklich den Vogel abgeschossen.
Dass man am Ende einer Saison nicht weiß, ob es in der nächsten Saison mit NTlive weitergeht und die neuen Termine immer ewig bis zur Bekanntgabe brauchen, ist mittlerweile schon fast normal für mich, aber dass man auch zwei Tage vor dem Termin keine Karten online bestellen kann und auf Nachfrage entweder keine oder eine ziemlich unintelligente Antwort bekommt, war dann doch etwas ärgerlich.
Aber da dieses Kino wie weiter oben erwähnt, eben das einzige Kino mit dieser Art der Vorstellungen ist, muss ich leider damit leben und konzentriere mich wohl lieber mal auf die positiven Punkte des Abends!
Gezeigt wurde ‚Young Marx‚, ein ganz neues Stück von Richard Bean and Clive Coleman, das gerade im ebenfalls neuen Bridge Theatre in London uraufgeführt wird.
Und darum geht es:
Im Londoner Stadtteil Soho lebt 1850 der zweiunddreißigjährige Flüchtling Karl Marx (Rory Kinnear) mit seiner Familie in armen Verhältnissen.
Megaintelligent und charmant weiß Marx seine Umwelt zu bezaubern, bringt aber durch seine Arroganz und Gedankenlosigkeit im Umgang mit anderen Menschen Familie, Freunde und politische Weggefährten gegen sich auf.
Seine Ehe mit der deutschen Adligen Jenny von Westphalen (Nancy Carroll) steckt in einer schweren Krise, sein bester Freund Friedrich Engels (Oliver Chris) verzweifelt wegen Marx Schreibblockade an ihm und seine Feinde und Gläubiger wollen ihm an den Kragen…
Bevor es losging sahen wir zuerst ein Interview mit Nicholas Hynter (kuckt der immer so böse, oder konnte der einfach die Interviewerin nicht leiden?), dem Mitgründer des Bridge Theatres.
Er erzählte sowohl einiges über das Konzept des neuen Theaters als auch über das Stück.
Und in der Pause gab es dann noch ein Video mit näheren Informationen zum Stück und zu Marx und Interviews mit Cast und Crew.
Ich bin der NTlive-Reihe durchaus dankbar, daß sie mich in den letzten Jahren wenigstens ein klein wenig erzogen haben, was Shakespeare und andere wichtige Theaterdramen angeht.
Trotzdem bin ich froh, daß nun auch mal wieder eine Komödie auf dem Spielplan stand und ich habe wirklich öfter herzlich gelacht.
Rory Kinnear, den ich bisher hauptsächlich mit seiner Nebenrolle in den letzten Bondfilmen in Verbindung bringe, hat sichtlich Spaß an seiner Rolle als junger Marx, der noch so gar nichts mit dem rauschebärtigen, alten Mann zu tun hat, den ich mit dem Namen Marx verbinde.
Charmant windet sich der junge Marx scheinbar aus jeder noch so ausweglosen Situation und schafft es immer wieder Menschen um ihn herum zu bezirzen, egal ob es sich um seine Leid geplagte Ehefrau, das Hausmädchen oder den guten Freund Engels handelt. Früher oder später kann keinem dem genialen Verstand des Mannes wiederstehen.
Die lustigsten Momente/Szenen hatte Marx zusammen mit Engels und Nym (Laura Elphinstone) und über den Dialog in der Bibliothek, der zu einer handfesten Schlägerei führte, habe ich herzlich gelacht.
„Nym has a bun in the oven…..and I am the baker…“
„You fucked the maid!?!?!?!?!“
Neben Kinnear haben mir eigentlich alle Hauptdarsteller sehr gut gefallen, weil sie in der jeweiligen Rolle zu überzeugen wußten und sichtlich Spaß am Geschehen auf der Bühne hatten.
Die Kostüme sind zum Glück nicht modern, sondern der Zeit in der das Stück spielt nachempfunden und die Kulisse bewegt sich auf einer runden Drehscheibe immer dahin wo sie gerade gebraucht wird, egal ob in die Marxsche Wohnung, Sohos Straßen oder zum konspirativen Treffen der Immigranten, die für Marx Ideen kämpfen.
Diese Lösung fand ich sehr clever, weil man so ohne große Umbauzeiten auskommt und der Spielfluss nicht gestört wird.
Gut gefallen hat mir auch die leichte Ironie, mit der die politische Verfolgung der deutschen Flüchtlinge dargestellt wurde. Da hat jeder seinen eigenen preussischen Spion an der Seite, mit dem sich dann auch mal fast freundschaftliche Dialoge entwickeln – herrlich!
Und natürlich dürfen auch bei einer Komödie die tragischen Momente nicht zu kurz kommen, in denen die Schauspieler mich genauso überzeugt haben, wie in den lustigen.
Die ganze Inszenierung wurde allgemein mit sehr viel Liebe auf die Bühne gebracht und ist für mich ein würdiger Einstand für das brandneue Theater!
Ich habe jedenfalls wieder ein wenig mehr über eine historische Figur gelernt und einen wunderbaren Theaterabend im Kino verbracht – so darf NTlive gerne weitergehen!
Ein Trailer
I think this might be coming to a „nearby“ theater in the spring, here.
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