Unterleuten von Juli Zeh

Im kleinen Dorf Unterleuten irgendwo in Brandenburg ist schon lange nichts mehr los.
Der einzige Arbeitgeber, die Ökologica GmbH, die aus der örtlichen LPG hervorgegangen war, hält sich mehr schlecht als recht über Wasser und die hippen Zugezogenen bringen eher Unruhe als neuen Schwung ins Dorf.
Als dann plötzlich ein Investor Windräder bauen will, brechen schwellende Konflikte auf und die Dorfgemeinschaft ist tief gespalten.
Wird es den Unterleutnern gelingen eine Lösung für ihre Probleme zu finden?

Ich komme selbst vom Dorf und habe ein wenig schrulliges Verhalten wiedererkannt, daß Juli Zeh ihren Dorfbewohnern in ‚Unterleuten‚ mitgegeben hat.
Aber vieles war mir auch fremd. Einerseits vielleicht weil ich aus einem Westdorf und nicht aus dem Osten komme und die Mentalität je nach Region sich ja sowieso in Deutschland sehr stark unterscheidet und andererseits sicher auch, weil die Autorin ihre Figuren für meine Begriffe sehr stark überzeichnet beziehungsweise sie sehr klischeehaft anlegt.
Es gibt den alteingeseßenen Macher, dem das halbe Dorf irgendwas schuldet, der alle kennt, das meiste weiß und sowas wie der heimliche Chef des Dorfes ist, weil ohne ihn nichts läuft.
Natürlich hat er auch einen Mann fürs Grobe, den keiner so richtig leiden kann und vor dem die meisten auch ein wenig Angst haben.
Dann gibt es wie in jedem Dorf Mitläufer, Aussenseiter und die Zugezogenen, die meinen ihr Paradies gefunden zu haben und die doch immer alles ein bißchen besser wissen und können, als die Landeier, die noch nichts von der Welt gesehen haben.
Alle diese Figuren gibt es auch bei Juli Zeh und nur wenige ihrer Figuren machen eine Entwicklung durch, was ich sehr schade fand, weil die Personen dadurch eben auch ein wenig eindimensional wirken.
Was ich auch sehr auffällig fand war, daß die Männer des Romans alle auf die ein oder andere Art als Unsympathen und/oder Versager dargestellt werden. Ob das gewollt oder unbeabsichtigt ist, kann ich allerdings nicht sagen, aber auch das läßt diese Figuren eindimensional und teilweise eben auch ein wenig dumm wirken.
Die Frauen hingegen fand ich entweder oft richtig zickig, egoistisch oder einfach nur unsympathisch – oder eben beides und auch hier hätte ich mir mehr Gelegenheit zum Mögen oder Verstehen gewünscht
Zeh beschreibt das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln der einzelnen Figuren, aber immer distanziert.
Auch dazu ist meine Einstellung eher gespalten, denn auf der einen Seite ließ sich diese Art zu schreiben wahnsinnig gut und vor allem flüssig lesen.
Auf der anderen Seite hat mir ein wenig das Gefühl und die Wärme gefehlt.
Natürlich kann man bei eskalierendem Dorfleben keine idyllischen Szenen auf dem Dorfplatz erwarten, aber wirklich mitgelitten habe ich ehrlich gesagt mit keinem so wirklich.
Keine der Figuren ist mir ans Herz gewachsen, kein Schicksal hat mich wirklich berührt und am Ende dachte ich mir bei vielen: Ja, das habt ihr nun davon!
Von daher ordne ich ‚Unterleuten‘ für mich als lesenswert, aber insgesamt eher durchschnittlich ein.

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4 Antworten zu Unterleuten von Juli Zeh

  1. lesenundmehr schreibt:

    Deine Kritik kann ich gut nachvollziehen, ich habe so ähnlich empfunden. Aber der Titel ist schon klasse gewählt. Hier ist man wirklich ‚unter Leuten‘ 😉

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  2. Herba schreibt:

    @lesenundmehr: Den Titel bzw. gleich ein ganzes Dorf so zu nennen, fand ich auch klasse!

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  3. Alexander Carmele schreibt:

    Du hast es auf den Punkt gebracht: „Auf der anderen Seite hat mir ein wenig das Gefühl und die Wärme gefehlt.“ — so geht es mir stets mit Zehs Romanen. Sie schwebt weit über den Dingen. Danke für die Rezension. „Über Menschen“ hat mir gar nicht zugesagt und ein fader Beigeschmack ist allenthalben übrig geblieben.

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  4. Herba schreibt:

    @Alexander: Ich habe seit ‚Unterleuten‘ nichts mehr von Zeh gelesen, gerade weil mir hier eine gewisse Wärme gefehlt hat. Aber im Gegensatz zu Franzen habe ich Zeh noch nicht ganz aufgegeben.

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