Ganz schön was los

Guten Tach zusammen!
Mein Name ist Horst und ich bin die alterwürdige Bibliotheksmaus dieser noch viel alterwürdigeren Hallen in denen ich schon seit viiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiielen Jahren zusammen mit unfassbar vielen Büchern lebe!
Kleine Bücher, große Bücher. Dicke Bücher, dünne Bücher. Gescheite Bücher, dumme Bücher. Interessante Bücher, langweilige Bücher. Bunte Bücher, triste Bücher, und, und, und.
In dieser Zeit habe ich mir viel Wissen angeeignet, so gut es ging für Bibliotheksmäusenachwuchs gesorgt und viel über die, die hier ein und ausgehen gelacht. Denn glaubt mir:
beim gemeinen Volk mögen Bibliotheken ja als Hort der Ruhe gelten, aber wenn man das Treiben mal wirklich im Auge behält, muss man schnell erkennen, daß da mords was los ist, also zumindest da wo ich lebe.

Zum einen tummeln sich überall Mitarbeiter.
Das geht morgens schon ganz früh los, wenn die Leutchen einfallen, die die Bücher im Keller aus den Regalen holen und sie ans Tageslicht bringen, damit sie dann gelesen werden können.
Den Chef der Truppe mag ich. Der war in einem früheren Leben sicher selbst mal eine Maus, weil der immer so viele leckere Sachen in seinem Büro bunkert und immer so nett ist.
Um die Frauen im Untergeschoss mache ich immer einen großen Bogen, weil die so viel quatschen, daß man davon ganz blutige Ohren bekommt. Frauen in Bibliotheken sind sowieso komisch.
Sobald die mich oder einen meiner Verwandten sehen, werden die ganz hysterisch und fangen an zu kreischen. Ich versteh das gar nicht, weil man ja eigentlich bei so einem Hort des Wissens meinen sollte, daß sie geschnalt haben, daß wir sie nicht anfallen oder so.
Na ja, dafür sind die Männer im Magazin ganz okay. Ich mag ja besonders die, die Dialekt sprechen.
Über den einen lach ich mich regelmäßig kaputt, wenn der dem Nachwuchs die Kellergewölbe und die vielen Bücher zeigen muss.
Entweder er redet Dialekt und hat dann bestimmt ein Menschenkind im Schlepptau, das ihn nicht versteht oder er bricht sich einen ab und versucht Hochdeutsch zu sprechen und der Jungmensch platzt bald vor unterdrücktem Lachen, weil das echt lustig ist.

Meist nehme ich auch noch mit den Magazinern zusammen mein Frühstück ein und dann gehts mit den (aus den Regalen) gezogenen Büchern nach oben ins Erdgeschoss. Die Bücher benutzen entweder die Buchföderanlage – das ist so ein Schachtding mit Körbern – oder einen der Aufzüge.
Aber ich geh lieber zu Fuß, weil die Körbe der Buchförderanlage so ruckeln, das bekommt meinem Magen nicht. Und in den Aufzügen bleibt alle Ritt lang einer stecken und das kann dann schon mal ne halbe Ewigkeit dauern, bis die Techniker anrücken und den, der drinsteckt wieder rausholen.
So ein bißchen stecken bleiben ist ja nicht schlimm. Nur kann man sich nicht aussuchen, mit wem man steckenbleibt und das mag ich nicht, weil hier so Mancher doch ein wenig verhaltensoriginell ist!

Im Erdgeschoss arbeiten hier die mit den Nerven aus Stahl.
Die sorgen dafür, daß die Bücher unter die Leute kommen, keiner Bücher ankaut, alles fristgerecht zurückgebracht wird und dafür, daß jeder das Weg zum Klo findet.
Uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuund hier kommen dann auch erstmal Menschen von ausserhalb ins Spiel. Im Käseladen heißten die Kunden, hier in der Bibliothek sind das die Benutzer.
Ja, ja, ich weiß. Das klingt schon etwas unanständig, aber das heißt nunmal so, das hieß schon immer so und das wird auch in Zukunft so heißen!!!!

Ich weiß nicht genau, woran es liegt, aber hier im Erdgeschoss findet man auch vermehrt die verhaltensoriginellen Menschen, mit denen keiner im Aufzug stecken bleiben will und zwar auf beiden Seiten der Theken.
Da gibts Mitarbeiter, die seit gefühlt 100 Jahren in der Benutzung (das ist da wo man die Benutzer antrifft) arbeiten und immer schlecht gelaunt sind, weil sie keine Benutzer mögen.
Und da gibts Benutzer, die kommen und immer was zu meckern haben – IMMER! Die stehen vermutlich auf und denken sich ‚Heut geh ich in die Bibliothek und mecker mal ne Runde. Das wird ein Spaß!‘
Das ist sooooo lustig, dass ich da oft Stunden zuhören kann!
Da werden Bücher gesucht, von denen man weder Autor noch Titel, sondern nur noch die Farbe weiß, es wird Stein und Bein geschworen, daß man das Buch nie ausgeliehen hatte, obwohl man es 30 Sekunden später im eigenen Rucksack findet.
Da wird einem der Zutritt zum Lesesaal verweigert, weil man gerade noch seinen Döner zu Ende ißt und die böse Frau an der Information rückt einfach das Zertifikat zur Teilnahme am Kurs für weiße Magie nicht raus.
Und das ist alles noch harmlos!!!! Ich könnte Euch Dinge erzählen, Dinge könnte ich Euch erzählen…..aber ich tus nicht.
Fällt alles unter die Schweigepflicht einer Bibliotheksmaus!

Nach der Mittagszeit verschwinde ich dann meistens nach oben, weil da gaaaaanz viel Ruhe herrscht. Da sitzen nämlich die Mitarbeiter, die die Bibliotheksbücher in den Katalog einarbeiten und nebenbei ihrem AKüFi fröhnen.
Was ein AKüFi ist? Kein Plan, aber die mögen das hier alle!
Früher war das mal ein lebhaftes Völkchen, weil da noch Katalogkarten aus Papier auf lauten Schreibmaschienen produziert wurden.
Heute geht das alles leise, weil elektronisch, aber davon lasse ich lieber meine Pfoten, seitdem ich mir einmal so einen Computer näher angeschaut und dabei leicht unter Strom gestanden habe.
Hier sind alle ganz ernst und machen ganz wichtige Gesichter und finden es tooooootal spannend stundenlang über Regelwerksstellen und Erfassungskategorien zu fachsimpeln.
Mir ist das ja immer ein bißchen langweilig, aber es ist ein gutes Plätzchen für einen gesegtneten Mittagsschlaf.

Wenn ich dann gut ausgeruht aufwache und meinen mutigen Tag habe, besuche ich das Revier des obersten Bibliothekars. Dort bleibt man als Bibliotheksmaus am besten gut getarnt, denn dieser Typ ist echt gefährlich! Es geht nämlich die Sage, daß er meinen Großonkel Ottokar auf dem Gewissen haben soll.
Großonkel Ottokar war leidenschaftlicher Freeclimber – das ist einer, der ohne Seil überall rumklettert – und eines Tages stürzte er bei einer seiner Klettertouren ab.
Er landete genau auf dem Tisch vor der Nase des Oberbibliothekars, zum Glück unverletzt.
Leider hat dieser Oberbibliothekar kein Herz für Bibliotheksmäuse und hat Großonkel Ottokar vollkommen furcht- und skrupellos in die nächste Bewußtseinsebene katapultiert.
Von daher bin ich hier immer sehr, sehr vorsichtig und übe mich im Schleichen!

Ab und zu gehe ich auch in den sogenannten Serverraum, da ist es immer schön warm und man dort kann wunderbare Saunagänge abhalten.
Oder ich besuche den Kollegen in der Poststelle und fahre dort ein wenig mit den Postwagen durch die Gegend.

Den Arbeitstag als Bibliotheksmaus lasse ich dann entweder im hauseigenen Cafe bei einem Stück Zeitung und ein paar Krümmeln oder mit einem guten Buch in einem ruhigen Eckchen ausklingen, um mein Wissen zu erweitern.
Denn nur eine bücherliebende Bibliotheksmaus ist eine gute Bibliotheksmaus 😉

* * * * * * * * * * * * * * * * *

Dieser Text ist für das Gemeinschaftsblogprojekt von Poe und mir entstanden. Das Thema war ‚Mach was…mit Bibliothek‘.
Die Geschichte ist rein fiktional, eventuelle Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen Mäusen ist rein zufällig und nur der lebhaften Phantasie des jeweiligen Lesers zuzuschreiben!!!
Gesamter Text © Herba für ‚Unkraut vergeht nicht…oder doch?‘
Bitte nicht ungefragt zitieren oder weiterverwenden!!!

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22 Antworten zu Ganz schön was los

  1. Guylty schreibt:

    Süß. Da bekommt man doch mal einen Einblick in die Arbeit in einer Bibliothek, den man als „Benutzer“ ja sonst nicht so hat…

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  2. Servetus schreibt:

    Great story! It really is different behind the scenes.

    I’ve never seen a mouse in a library, but I have seen lots of traces left behind by bookworms 🙂 Actual bookworms, and human ones 🙂

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  3. Esther schreibt:

    Ah, süß! Du weisst ja ziemlich viel von was sich da hinter den Schirmen abspielt. Ist auch eine ziemlich große Bibliothek. Ich habe noch nie eine Bibliotheksmaus gesehen aber in einer kleinen Bibliothek wo ich Mal gearbetitet habe, da gab es eine Bibliothek-Möwe! Ich habe ihn „Guus“ genannt – er kam jeden Tag angeflogen, saß einige Zeit vor dem Fenster und hat uns beim arbeiten in der Bibliothek zugeschaut. 🙂

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  4. Pingback: Gemeinschaftsblogprojekt ‘Mach was!’ – Ergebnis #25 und neues Thema | Unkraut vergeht nicht….oder doch?

  5. Herba schreibt:

    @Guylty: So war es gedacht, auch wenn es nur ein wirklich winziger Einblick war!

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  6. Herba schreibt:

    @Serv: Thanks!
    Around here are mice always a problem (old building, etc.) but at the end I would guess that humans are the bigger problem for the books 😉

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  7. Herba schreibt:

    @Esther: Alles andere wäre bei mir ein wenig verwunderlich, weil ich ja in der Branche arbeite 😉
    Awww, um Guus beneide ich Dich, das war sicher nett 🙂

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  8. Esther schreibt:

    Darf ich fragen in was für eine Bibliothek?

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  9. Servetus schreibt:

    That’s for sure. We probably shouldn’t be allowed to touch them 🙂

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  10. Herba schreibt:

    @Esther: Ich arbeite in einer wissenschaftlichen Bibliothek

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  11. Herba schreibt:

    @Serv: That’s what every devoted conservator would tell you anyway :mrgreen:

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  12. Servetus schreibt:

    I’ve been told that more than once. Although not by German conservators.

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  13. Esther schreibt:

    Toll!!

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  14. Herba schreibt:

    @Serv: I had a one day workshop during my training with a dedicated conservator and she told us more than once that it would be better for the books not to be touched at all but that this would totally contradict the existence of books 🙂

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  15. Herba schreibt:

    @Esther: ich bin nach dem Abitur irgendwie in den Job reingeschlittert, aber ich denke, ich hätte es schlechter treffen können 🙂

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  16. Servetus schreibt:

    Plus, every time they move in any way, they could be LOST. I get it, kind of 🙂

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  17. Herba schreibt:

    @Serv: Jup, that’s a big problem too!
    Außerdem finden es Nutzer ja oft sowieso schwierig, daß ein anderer Nutzer gerade genau das Buch benutzt, das man selber dringend braucht. Ich hatte erst gestern eine Diskussion mit einer Studentin, die ein Buch aus einem Semesterapparat suchte und meine Vermutung, das ein anderer Nutzer gerade damit arbeiten könnte, fand sie vollkommen abwegig *lol*

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  18. Servetus schreibt:

    WHAT??? Someone else is reading MY book?
    When that happens to me in a scholarly library, I can almost always narrow down who has the book to three other people, and I just ask them if they have it, lol.

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  19. Herba schreibt:

    @Serv: my boss and one of my co worker are able to do that too 🙂
    Another classic around here is:
    Customer: „I need that special book really urgent but I can’t remember title or author but I know that it’s cover was green.“
    Librarian: „I am so sorry but we don’t arrange our 5 million books based on the color of their covers…..“
    Needless to say that when the customer is able to find the said book it turns out that the cover isn’t green at all 🙂

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  20. Servetus schreibt:

    There was (possibly apocryphal) story on the campus where I got my BA — I used to give campus tours, and the story went that the original library built when the campus was constructed had been donated by a particular wealthy woman’s husband. She kind of saw it as „her“ library and would walk through the stacks straightening things out and dusting. At some point in the 1970s they needed an expansion and they approached her for a donation, and she is supposed to have said, I will give you whatever you want if we can rearrange the books by color; it’s so ugly the way it is now. They of course found another donor …

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  21. Herba schreibt:

    @Serv: Lol!!! Bücher nach Farben zu sortieren scheint eine ganz eigene Faszination auszuüben 🙂

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  22. Pingback: Montagsfrage: Lieblingsgenre als Autor? | Unkraut vergeht nicht….oder doch?

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