Der Himmel grollt

Müde lehnte er im Türrahmen seiner Balkontür und beobachtete die schnell dahinziehenden Wolken am Nachthimmel.
Nach einem langen Arbeitstag, der in allen Belangen herausfordernd und anstrengend gewesen war, hatte er einfach nur unter die Dusche und dann ins Bett gehen wollen, aber nun stand er hier mit nassen Haaren und konnte sich nicht von dem Schauspiel am Himmel losreißen.
Der volle Mond beleuchtete dunkle Wolken, die sich wie Gebirge am Himmel auftürmten. Sterne waren keine zu sehen, in der Ferne grollte es leise vor sich hin und es roch nach frischem Regen.

‚Selbst der Himmel grollt!‘ dachte er resigniert und seufzte leise vor sich hin. Täglich schien die Nachrichtenlage schlimmer zu werden, keine Woche verging, wo nicht von Bluttaten berichtet wurde, die Menschen an Menschen begingen und daran konnte man wirklich verzweifeln.

Für ihn hatte früh festgestanden, daß er Menschen helfen und seinem Land dienen wollte, daher war er nach dem Abitur erst zum Bund und dann zur Polizei gegangen und gehörte nun einer Gruppe von hochqualifizierten Beamten an, die deutschlandweit im Einsatz waren, wenn es irgendwo Probleme gab. So wie heute Abend…

Aber machte er mit seiner Arbeit wirklich einen Unterschied? Egal wie gut er und seine Kollegen geschult waren, sie konnten oft nur reagieren und Verbrechen oder Gewalttaten nicht verhindern, sondern nur Schadensbegrenzung betreiben.
Ältere Kollegen aus seiner Truppe erzählten von der guten alten Zeit, wo sie zu Geiselnahmen, Banküberfällen oder Beziehungsdramen gerufen wurden.
Nun schlugen sie sich mit Amokläufen und Terrorattacken herum. Man sah Dinge, mit denen man nie gerechnet hatte und auf die einem auch die beste Ausbildung nicht wirklich vorbeireiten konnte und immer wieder schlich sich auch die Angst um das eigene Leben auf leisen Sohlen an.

Das Grollen in der Ferne war mittlerweile herangezogen und hatte sich zu einem lauten Donner gesteigert. Dann zuckte ein heller Blitz über den Himmel und die ersten Regentropfen fielen.

Vielleicht hätte er auf seinen Vater hören und doch studieren sollen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre er ein gut bezahlter Jurist mit einer eigenen Kanzlei geworden, der viel Geld scheffelte und eine Vorzeigefrau am Arm spazieren führte.
Stattdessen riskierte er nun Leib und Leben für Menschen, die ihn teilweise als Drecksbullen beschimpften und das Ende seiner letzte richtige Beziehung, die auch wegen den unregelmäßigen Arbeitszeiten und der Gefahr zerbrochen war, lag schon zwei Jahre zurück.

Blitz und Donner wechselten sich in einem schnellen Rythmus ab und der heftige Wind wehte ihm den kalten Regen ins Gesicht, doch er bleib wie festgewachsen wo er war.

Hätte er vielleicht als Journalist oder Entwicklungshelfer mehr für andere Menschen tun können?
Oder hätte er Sozialpädagogik studieren sollen und als Streetworker den Kids helfen können, die scheinbar immer mehr den Halt verloren und keinen anderen Weg als Hass und Gewalt fanden?

Er wischte sich die Regentropfen aus dem Gesicht und schüttelte unwillig den Kopf!
Er war gut in seinem Beruf und eigentlich wollte er auch nichts anderes tun, auch wenn Einsätze wie heute ihm unter die Haut gingen und ihn die Bilder und Emotionen des Tages noch lange verfolgen würden; das Leid der Opfer ebenso wie die Erleichterung der Überlebenden…

Aber man konnte schon an der Menschheit verzweifeln, denn auch heute hatte es wieder Gaffer gegeben, die nichts besseres zu tun hatten, als im Weg herumzustehen, sich selbst und andere in Gefahr zu bringen und in manchen Härtefällen sogar das Handy zu zücken und zu fotografieren oder zu filmen.
Diese Gedanken wurden von einer lauten Reihe aus stakkatohaften Blitz- und Donnergeräuschen begleitet.
Doch es gab auch die anderen Beispiele, die beherzt halfen und sich um Wildfremde kümmerten. Diese Beispiele gaben ihm Mut und teilweise auch den Glauben an die Menschheit zurück.

Genauso schnell wie das Gewitter herangezogen war, ebbte es nun auch wieder ab, der eben noch von dunklen Wolken bedeckte Himmel wurde ruhig und still und Blitz und Donner schienen nur noch eine bedrückende Erinnerung zu sein…

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Dieser Text ist für das Gemeinschaftsblogprojekt von Poe und mir entstanden. Das Thema war ‚Mach was…mit Blitz und Donner‘.
Die Geschichte ist reine Phantasie, ich habe keine Recherchen zur Polizeiarbeit angestellt.
Gesamter Text © Herba für ‚Unkraut vergeht nicht…oder doch?‘
Bitte nicht ungefragt zitieren oder weiterverwenden!!!

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8 Antworten zu Der Himmel grollt

  1. CraMERRY schreibt:

    Sehr gut.

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  2. Die Poe schreibt:

    Ja, sehr gut!

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  3. Herba schreibt:

    @CraMERRY: Danke! Als ich das Thema veröffentlicht habe, hatte ich eigentlich etwas komplett anderes als Geschichte geplant, aber nach Würzburg wollte das nicht mehr aufs Papier…

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  4. Herba schreibt:

    @Poe: Danke schön :*

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  5. suzy schreibt:

    Liest sich gut! Danke – gerne mehr!!!

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  6. Herba schreibt:

    @Suzy: Dank Dir!

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  7. Servetus schreibt:

    Ich bin froh, daß er sich für die Polizei entschieden hat 🙂

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  8. Herba schreibt:

    🙂

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