Treasure Island (National Theatre London live)

Letzten Donnerstag wurde im Kino meines Vertrauens mal wieder eine NTlive Produktion aus England gezeigt und zwar der Klassiker ‚Treasure Island‚ von Robert Louis Stevenson.

Und darum geht es:
Das Waisenkind Jim Hawkins (Patsy Ferran) lebt bei seiner Großmutter (Gillian Hanna), die an der Küste Englands ein Gasthaus führt.
Eines Tages taucht der Seemann Billy Bones (Aidan Kelly) auf, der sich den ganzen Tag betrinkt und vor irgendetwas Angst zu haben scheint. Seine Angst bestätigt sich, als andere windige Seeleute auftauchen, die ihn dazu bringen wollen, zu verraten wo der Schatz des berühmt-berüchtigten Piratenkapitäns Flint versteckt ist.
Sie bringen Billy um und Jim kommt durch Zufall in den Besitz der Schatzkarte, die Bones bei sich hatte. Zusammen mit Dr. Livesey (Helena Lymbery), dem reichen Squire Trelawney (Nick Fletcher) und einer Halsabschneidercrew, die vom gewiften Koch Long John Silver (Arthur Darvill) angeführt wird, geht Jim nun auf Schatzsuche…

Kann man eine Geschichte, die zu großen Teilen auf einem Schiff spielt, glaubhaft für die Bühne adaptieren ohne einen bekannten und oftmals verfilmten Stoff (zu einer verfilmung habe ich hier meinen Senf dazugegeben) allzu sehr zu verfremden?
Diese Frage habe ich mir gestellt, bevor ich ‚Treasure Island‘ gesehen habe und die Antwort darauf ist: Man kann!

Das Bühnenbild für diese Inszenierung ist der absolute Knaller. Durch geschickt eingesetzte Aufbauten, die bewegt und in der Bühne versenkt werden können, wird das Gasthaus zum Schiff und das Schiff zur Südseeinsel eindrucksvoll umgerüstet und sieht dabei jederzeit glaubhaft aus.
Die Liebe zum Detail hat mich hierbei besonders beeindruckt. Abgerundet wird dieser Eindruck noch durch schräge, farbenfrohe Kostüme (hat einer meiner Leser vorher schonmal einen rosa gewandeten Pirat gesehen?) und gelungene Livemusik in Form von Seemanns- und Piratenliedern.

Bryony Lavery, die das Stück für diese Inszenierung adaptiert hat, fand, dass Frauen schmählich unterrepräsentiert sind und hat daher sowohl weibliche Piraten erschaffen, als auch Dr. Livesey und Jim zu Frauen gemacht.
Das ist zwar komplett unrealistisch (kein Kapitän aus dieser Zeit hätte eine Frau freiwillig an Bord seines Schiffes gelassen), hätte mich aber nicht weiter gestört.
Allerdings agierte mir Patsy Ferran, die den Jim spielt, etwas zu ausdrucksvoll, was mir persönlich stellenweise etwas auf die Nerven ging. Ich denke aber, daß das so gewollt war und daß die Regisseurin auch damit spielte, dass Patsy einen Jungen verkörpert und eben doch ein Mädchen ist.
So beinhaltete zum Beispiel ihr Kostüm Hosen, die aber so geschnitten waren, daß einem die weiblichen Hüften gar nicht entgehen konnten.
Als Arthur Darvill aka Long John Silver anfing davon zu faseln, wie hübsch Jim doch sei, rollten sich kurzzeitig meine Fußnägel leicht ein, Jim befand dann aber selbst, daß sie für solche Dinge noch viiiiiel zu jung sei und hatte damit alle Lacher auf ihrer Seite!

Darvill ragte für mich dann auch aus einem guten Ensemble etwas heraus, wußte man doch nie so genau, ob sein Long John nun zu den Guten oder zu den Bösen gehört, weil er sowohl die harmlose als auch die böse Seite des Piraten gekonnt in Szene setzte.
Der Papagei, der ihm auf der Schulter saß, hat mir übrigens auch ausnehmend gut gefallen und half mit das Piratenflair zu vertiefen.

Was mich etwas gewundert hat, waren die blutigen Szenen, da das Stück in London ja als Weihnachtsstück für die ganze Familie beworben wurde. Erst spritzte das Kunstblut als einer der Piraten die Kehle durchgeschnitten bekommt und dann baumeln Cäptn Smollett (Paul Dodds) auch noch die Gedärme aus dem Bauch. Gut gemacht, aber vielleicht ein bißchen zu viel des Guten für die Kinder im Publikum?

Insgesamt war diese Inszenierung von ‚Treasure Island‘ für mich absolut unterhaltsam, auch wenn ich manche Kleinigkeiten anders gemacht hätte, wäre ich Regisseur gewesen.

Die Pö hat hier über ihre Eindrücke gebloggt.

Die Seite des National Theatre zu ‘Treasure Island’

Der Trailer zur Inszenierung:

Dieser Beitrag wurde unter Theater abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

24 Antworten zu Treasure Island (National Theatre London live)

  1. suzy schreibt:

    Habe mich schon gefragt, wann Deine Kritik kommt, – ich kann Dir nur zustimmen! Der Bühnenaufbau war grandios, wir haben uns zwischendurch gefragt wie die das alles da unterbringen……
    oder wer den Papagei fernsteuert 😉

    Like

  2. cRAmerry schreibt:

    iiiih, genau die Gedärme. Danke Herba, die hatte ich doch glatt verdrängt. Fand ich auch eher unpassend, aber wer weiß, vielleicht hält das durchschnittliche britannische Kind da mehr aus, als die zimperliche mittelalte Kontinentaleuropäerin.
    Auch ich hatte mir ein nicht wirklich ein dolles Theatererlebnis erhofft (Schatzinsel? ach so, mal vor tausend Jahren gesehen, mit dem, wie war noch gleich sein Name, der Vollzeitassi vom Alten? Michael Ande?). Aber was scheren mich Vorurteile, wenn sie aufs Schönste widerlegt werden.
    Ich fand es richtig gut, auch wenn der Silver John schon rein optisch recht nah am Sparrow Jack war. Macht nix, wenigstens hat man ihm den Piraten problemlos abgenommen. Und die Ambivalenz seiner Rolle hat er gut dargestellt. Habe mich zwischendurch dabei ertappt, ihn vielleicht doch ganz nett zu finden 😀 Aber nur vielleicht!
    Den Doc mit einer Frau zu besetzen war garnicht so schlecht. Aber hast du die Nase gesehen? War die echt oder ein Fake? Jedenfalls, so ein schöner Zinken:-)
    Und die Trachten-Kopfhörer von der Omma waren doch ein Gedicht 😉

    Like

  3. Herba schreibt:

    @Suzy: Ich war am Freitag viiiiel zu müde und am We zu faul zum Schreiben 😉
    Ganz großes Theater, wie da immer wieder aufgefaltet und versteckt wurde, um das Bühnenbild zu ändern und einfach faszinierend.
    Ich hatte ja darauf getippt, daß Long John den Vogel irgendwie bewegt. Der Mensch mit Fernsteuerung war natürlich viel plausibler 🙂

    Gefällt 1 Person

  4. Hallo, ich habe vor einiger Zeit das Buch gelesen – und das Theaterstück dazu war sicherlich ein Erlebnis – ganz neidisch bin ;-). LG Birthe

    Gefällt 1 Person

  5. Herba schreibt:

    @cRAmerry: Wobei vielleicht einfach auch nur wir zimperlich sind. Mein Neffe würde vermutlich wieder sagen: Ach Godie, das war doch nicht schlimm! 😉
    Ja, der Vollzeitassi vom Alten heißt Michael Ande und stimmt, der hat auch mal in der Schatzinsel mitgespielt, als der Jim noch ein Jim und keine Jimima war 😉
    Also, ich finde ja den Silver Long John in diesem Fall viiiiiel attraktiver als den Sparrow Jack, aber das ist alles Geschmackssache 😎
    Er hat mich nur ziemlich verstört, als er plötzlich die 13jährige angebaggert hat, das war dann doch etwas viel des Guten.
    Mmmh, ich glaube die Nase ist echt, aber genau weiß ich es auch nicht. Ich hab auch immer noch nicht herausgefunden, woher mir die Frau so bekannt vorkommt…
    Aaaaah, de Trachten-Puschel der Omma hatte nun ICH verdrängt – GRUSELIG!!! 😀

    Like

  6. Herba schreibt:

    @Birthe: Das Buch müßte ich auch irgendwann nochmal lesen…
    Das war es wirklich, wie eigentlich immer, wenn das National Theatre zum Schauen einläd.
    Liebe Grüße zurück

    Like

  7. cRAmerry schreibt:

    Klar, Ich meinte schon, dass ICH hier zimperlich bin. Oder bist DU mittelalt? Na siehste.
    Attraktiver war der John Silver zumindest dahingehend, dass er nicht ganz so fies runtergewirtschaftet war wie sein karibisches Pendant. Sonst ist mir der J.Depp schon typmässig näher als der A. Darvill.

    Like

  8. Die Poe schreibt:

    Yohoho and a bottle of rum! Ach egal, welcher Kapitän, der Papagei ist immer der Star!

    Like

  9. cRAmerry schreibt:

    Mensch Pö, du hast ja ’nen Vogel 😀 *flatterflatter*

    Gefällt 1 Person

  10. Herba schreibt:

    @cRAmerry: Klar bin ich mittelalt – was denn sonst?
    Das liegt vermutlich daran, daß der Darsteller des karibischen Pendants nicht so viel schauspielern mußte, um abgewrackt auszusehen 😉

    Like

  11. Herba schreibt:

    @Pö: Hat Sparrow auch nen Vogel? Daran kann ich mich gar nicht erinnern *AmKopfKratz*

    Like

  12. Herba schreibt:

    @cRAmerry: Auf keinen Fall. Die Pö hat Angst vor Vögeln!!! *kicher*

    Like

  13. Die Poe schreibt:

    Ne Sparrow nicht, der hat nur nen schrägen Vogel zum Vater, aber der eine da-der hat doch einen-der schreit doch so schön:Alle Mann von Bord

    Like

  14. Herba schreibt:

    @Pö: Und selbst ist er der schrägste Vogel von allen 😉
    Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Muss mal wieder einschalten, wenn die Serie zum 126 Mal wiederholt wird *lol*

    Like

  15. linnetmoss schreibt:

    Looks wonderful! I am very fond of pirates 🙂

    Like

  16. uinonah72 schreibt:

    Ohhh, jetzt bin ich aber wirklich enttäuscht, dass bei uns die NT Vorführungen nicht mehr stattfinden ;( Alles Banausen, hier im deutschen Süden! Ich denke, jetzt muss ich doch mal über die schweizer Grenze ausweichen. Die zeigen dort im März A View from the Bridge, das mich allein deshalb interessieren würde, weil meine beiden vorherigen Arthur Miller Erfahrungen so phänomenal emotional waren 😉 Habt Ihr schon Erfahrung mit diesem Stück vom NT?

    Like

  17. suzy schreibt:

    @herba und cramerry, v.a. der wunderbar geschmackvolle Umhang, äh Jacke des Silver hat uns zu Diskussionen über alte Teppiche animiert 😉
    Die „Gedärme“ habe ich ehrlich gesagt erst bei längerem und genauerem Hinsehen als solche erkannt….wahrscheinlich sind wir da empfindlicher als die heutige „Jugend“

    Nein Sparrow selbst hatte keinen Papagei, jedoch einer seiner Matrosen und der war echt. Außerdem gabe es mal einen Hund mit Schlüssel und dann immer wieder den gruseligen Affen – habe ich ein Vieh vergessen?

    Like

  18. Herba schreibt:

    @linnetmoss: It was and the pirates were very likable…well at least some of them 😀

    Gefällt 1 Person

  19. Herba schreibt:

    @uinonah: Das ist aber wirklich schade 😦 Ich zittere bei uns auch immer *seufz*
    ‚A view from the bridge‘ soll wirklich großartig und sehr intensiv sein – das würde ich zu gern live sehen, aber wenn es übertragen wird, bin ich auch zufrieden, zumindest so halbwegs 🙂

    Like

  20. Herba schreibt:

    @Suzy: Ihr seid solche Banausen *lol*
    Die Gedärme sprangen mir gleich ins Auge – vielleicht der Einfluss meines Hannibal-Marathons 😉
    Ha, an den Affen erinnere ich mich auch noch, aber das wars dann auch schon…das Alter *seufz*

    Like

  21. suzy schreibt:

    Muss an Hannibal liegen und ich frage jetzt nicht, was es da Ekliges zu sehen gibt 😉

    Like

  22. Herba schreibt:

    @Suzy: Mads Mikkelsen beim Kochen 😉

    Like

  23. Pingback: Weiter gehts heute Abend mit ‚Treasure Island‘ bei National Theatre London at home | Unkraut vergeht nicht….oder doch?

  24. Pingback: Reizthema Diversität in Medien – eine Leseempfehlung | Unkraut vergeht nicht….oder doch?

Ich freu mich über Kommentare! Indem Du die Kommentarfunktion hier nutzt, erklärst Du Dich mit der Verarbeitung Deiner angegebenen Daten durch Automatic Inc. sowie den Dienst Gravatar einverstanden.

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..