Of mice and men (National Theatre London live)

Am vergangenen Donnerstag gab es in meinem Kino mal wieder eine NT live Theateraufzeichnung.
Dieses Mal allerdings keine britische Produktion, sondern direkt vom Broadway in New York das John Steinbeck-Stück „Of Mice and Men„.

Und darum geht es:
Der geistig minderbemittelte Lennie (Chris O’Dowd) und der intelligente George (James Franco) ziehen gemeinsam als Wanderarbeiter durchs Land und träumen von einer besseren Zukunft, in Form einer eigenen kleinen Farm.
Doch es ist gar nicht so einfach für die Beiden dafür genug Geld zu sparen, denn Lennie bringt sich durch seine Angewohnheit alles Weiche, Kuschelige anfassen zu wollen, immer wieder in Schwierigkeiten und sowohl George als auch sich selbst um ihre Jobs.
Das Unheil nimmt seinen Lauf, als Lennie und George einen neuen Job auf einer Farm annehmen und dort mit dem unbeherrschten und brutalen Sohn (Alex Morf) des Chefs (Jim Ortlieb) aneinandergeraten, der eifersüchtig über seine junge Frau wacht…

Eigentlich wollte ich mir die letzte Theaterübertragung in diesem Jahr gar nicht anschauen, weil der Terminkalender in der Vorweihnachtszeit schon so voll schien.
Aber letztendlich bin ich froh, daß ich das Stück gesehen habe, den die Broadwayinszenierung kann mit toller Kulisse und großartigen Schauspielern aufwarten.

Die Bühne überzeugt sowohl als offene Prärie, auf der die beiden Hauptdarsteller im ersten Akt eingeführt werden und die Nacht verbringen, als auch als Schlafquartier der Farmarbeiter, wo sich sie Männer nach Feierabend aufhalten.
Besonders gut gefallen hat mir das Schlafquartier des schwarzen Arbeiters Crooks (Ron C. Jones), der nicht in der Gemeinschaftsunterkunft der Männer nächtigen darf, weil er schwarz ist und alles mit Büchern vollgestopft hat.
Auch eine Scheune darf natürlich nicht fehlen, in deren Inneren der vierte Akt inszeniert wird, bevor es dann zurück auf die offene Prärie aus Akt Eins geht.

Auch Lichteffekte und Musik werden gelungen eingesetzt, um die jeweilige Stimmung zu unterstützen, wirken dabei aber nie aufdringlich.

Der breite amerikanische Slang klang in den ersten fünf Minuten etwas ungewohnt, aber dann hatte ich mich eingehört. Trotzdem ging mir das schrille Gepiepse von Leighton Meester doch ein wenig auf den Keks, auch wenn ich an ihrer schauspielerischen Leistung sonst wenig auszusetzen habe.

Aus einem durchweg guten Ensemble ragen allerdings doch die beiden Hauptdarsteller heraus.
James Franco schwankt als George großartig zwischen besorgtem und treusorgendem Freund für Lennie und zynischem, abgeklärtem Denker hin und her, den wenig im Leben überraschen kann.
Gerade in den Dialogen zwischen ihm und Lennie hat er mich gefesselt und berührt, gerade weil Franco so gekonnt Wärme aber auch Härte in seine Darstellung legt.
Getoppt wurde diese Darstellung für mich dann noch von einem großartigen Chris O’Dowd, der wie ein großer Teddybär mit treuen Kulleraugen agiert, nur um dann in einer Sekunde auf die nächste die Kontrolle über seine immense Kraft zu verlieren und dann verzweifelt über das zu weinen, was passiert ist.
Die beiden kreieren mit ihrem Spiel absolut fesselnde Momente, bei denen der Zuschauer recht früh ahnt, daß das Ganze in einer Katastrophe enden muss und doch gebahnt zuschaut – zumindest ging es mir so.

Ich konnte beim Zusehen lachen (die Hasen sind ein running gag), ich war wütend auf den brutalen Curley, ich war traurig über die enttäuschten Hoffnungen der Farmarbeiter und der letzte Freundschaftsdienst von George für Lennie war einfach herzzereissend.
Jeder, der eventuell noch die Chance dazu hat, sollte sich diese Inszenierung auf jeden Fall anschauen.
Ich kann sie jedenfalls sehr empfehlen und es war ein gelungener Abschluss für ein großartiges Theaterjahr.

Edit: Hier könnt ihr den Kuckeindruck meiner Begleitung nachlesen.

‚Of mice and men‘ bei Broadway.com
‚Of mice and men‘ bei NTlive

Der Trailer

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10 Antworten zu Of mice and men (National Theatre London live)

  1. suzy schreibt:

    Danke für die Zusammenfassung, mir ging es ganz genauso! Ja das war ein großartiges Stück, mit tollen Darstellern, die glaubwürdig ihre Rollen inszeniert haben, ich kam sehr bewegt aus dem Kino. Die Interviews in der Pause haben intensiv gezeigt wie wandelbar Chris o`Dowd die Rolle spielt, da hat man ihn als „normalen“ Menschen erlebt, ganz krass zur Rolle von Lennie…. aber auch James Franco hat eine tolle Leistung absolviert. Großes Kino, äh Theater 😉

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  2. linnetmoss schreibt:

    Thanks for this trailer! I am very interested in Chris O’Dowd these days. Would have loved to see this live, but I’ll be thrilled if there is a film of it.

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  3. Guylty schreibt:

    Eine wunderbare Zusammenfassung, Herba. Ich habe das Stück im November in NTL gesehen, gemeinsam mit meinen beiden Kindern, die die Romanvorlage beide in der Schule gelesen hatten. Bei mir liegt das Lesen schon 25 Jahre zurück (ebenfalls Schullektüre), insofern musste ich meinen Kindern einfach mal glauben, dass es einige kleine Änderungen und Uminterpretationen für die Bühnenfassung gab. Vor allem die Interpretation von Curleys Frau stieß bei uns auf etwas Ärger – sie kommt im Theaterstück wesentlich besser weg als im Buch (wo sie durchgehend nervtötend, ignorant und dumm ist), denn sie erscheint hier als Opfer ihres Mannes (der sie vernachlässigt). Immerhin, so meine Tochter, seien aber einige Textteile vollkommmen original aus dem Roman übernommen worden. Das ist dann ja wiederum lobenswert.
    Chris O’Dowd war in der Tat überragend in dem Stück. Den Gegensatz von Kraft und Weichheit verkörperte er perfekt – und die kindliche Naivität des geistig zurückgebliebenen George. Als Fans der Serie „The IT Crowd“ hatten wir große Hoffnungen auf O’Dowd gesetzt, und er hat sie alle erfüllt. Ich wünsche mir, dass er nicht nur immer den kuscheligen Teddybären in leichten Komödien gibt („Bridesmaids“ etc.), sondern weiter auch Charakterrollen übernimmt. Das Zeug dazu hat er.

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  4. Die Poe schreibt:

    Ja, das war eine tolle Vorstellung!

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  5. Herba schreibt:

    @Suzy: Den Unterschied zwischen Lennie und Chris O’Dowd fand ich auch faszinierend – das zeigt den großartigen Schauspieler. Ich muss unbedingt mal schauen, was der Gute sonst noch so gemacht hat.

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  6. Herba schreibt:

    @linnetmoss: Me too. I’ll Have to check what else he’d done during his carrer

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  7. Herba schreibt:

    @Guylty: Ich muss zugeben, daß ich das Buch gar nicht gelesen habe und so gar keinen Vergleich ziehen kann.
    Curleys Frau ging mir persönlich auch so schon genug auf den Keks, aber dass sie im Original noch schlechter weg kommt, finde ich interessant.
    Zwischendurch im Stück, wenn sie rumjammert, wie einsam sie doch ist, hatte ich kurz Mitleid mit ihr, aber spätestens in der Scheune, wenn sie erzählt, wieso sie ihren Mann geheiratet hat, fand ich sie dann wieder einfach nur egoisitsch und dumm.
    Chris O’Dowd war mir im Vorfeld nur dem Namen nach ein Begriff, ich glaube, bwußt habe ich noch keinen Film mit ihm gesehen und von daher war ich von seiner Qualität total überrascht – positiv natürlich- und muss Dir Recht geben. Hoffentlich bekommt er mal die ein oder andere Charakterrolle im Kino, wo er das vor großem Publikum beweisen kann!

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  8. Servetus schreibt:

    Bin froh, daß Du letzten Endes „uns Amerikaner“ verstehen konntest. 🙂 Ich fürchte, die Schullektüre hat mir diese Story für immer verdorben …

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  9. Herba schreibt:

    @Serv: Die modernen Amerikaner versteh ich eigentlich immer ganz gut, ich muss nur bei alten Filmen passen – leider :-/
    Das geht mir mit vielen Sachen, die in der Schule behandelt wurden auch so. Da würde ich mir nur sehr wenig freiwillig anschauen oder mich nochmal allgemein damit beschäftigen

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