Letzten Donnerstag gab es im Kino meines Vertrauens mal wieder eine Übertragung des ‚National Theatre London‚ und dieses Mal stand ‚A Small Family Business‚ auf dem Programm.
Auch diese Vorstellung war, genau wie das letzte Stück, das ich gesehen hatte, keine Live-Übertragung, sondern eine Aufzeichnung.
Meine Begleitung und ich hatten vor Beginn im Kinosaal mal wieder viel zu lachen (über die selbst ernannte Kinopolizei, die durch den Saal wanderte).
Vor anhaltendem Gekicher rettete uns dann aber dann der Beginn des Stücks und darum geht es:
Jack McCraken (Nigel Lindsay) ist glücklich verheiratet, Familienvater und erfolgreicher Geschäftsmann, der nun den Familienbetrieb seines Schwiegervaters (Gawn Grainger) übernehmen soll.
Jack, der nach strengen moralischen Vorstellungen lebt, hält bei der Überraschungsparty, die seine Frau Poppy (Debra Gillett) für ihn zu Ehren der Firmenübernahme organisiert hat, eine inspirierende Rede zum Thema Ehrlichkeit und Unbestechlichkeit.
Doch als die Party von einem Kaufhausdetektiv (Matthew Cottle) gestört wird, der Jacks Tochter Samantha (Alice Sykes) beim Klauen erwischt hat und der nun einen Job in Jacks Firma haben will, damit er die Anzeige gegen Sam fallen läßt, wird schnell klar, daß keiner in Jacks Familie seine moralischen Grundsätze teilt.
Und als dann auch noch die italienische Familie Rivetti (Gerard Monaco) auftaucht, die in dunkle Machenschaften verstrickt zu sein scheinen, gerät Jacks Weltanschauung vollends aus den Fugen…
Das Stück spielt in den 80iger Jahren, steht in engem Zusammenhang zur Thatcher-Ära in England und wirft die Frage auf, wie ehrlich jemand sein kann und wie weit er mit dieser Ehrlichkeit letztendlich kommt.
Nigel Lindsay als Jack McCraken hat mir gut gefallen, vor allem weil er den moralischen Familienmenschen so glaubhaft und sympathisch darstellt.
Und auch als Jacks Familie ihm klar zu machen versucht, daß doch nichts dabei ist, wenn man Büromaterial vom Arbeitsplatz mitnimmt oder sich kleine Annehmlichkeiten ‚erschwindelt‘ und er aus allen Wolken fällt, als er merkt, daß er mit seinem Ehrenkodex ganz allein dasteht, nimmt man ihm das ohne weiteres ab.
Die Frauen des Ensembles haben mir auch alle gefallen, wobei ich vermutlich am meisten über Niky Wardley als Jacks Schwägerin Anita (das 80iger-Jahre-Domina-Kostum war genial) und Amy Marston als Jacks andere Schwägerin Harriet (mit der Tür der Durchreiche jemanden k.o. zu schlagen, schafft nicht jeder) gelacht habe.
Bei den Männern stachen Samuel Taylor als Jacks hohlköpfiger Schwiegersohn Roy und Gerard Monaco heraus, der sämtliche Rivetti-Brüder verkörperte und dessen rosa Negligé, das mit schwarzen Lackfußfesseln ‚aufgepeppt‘ wurde, ich sicher noch eine ganze Weile vor meinem geistigen Auge haben werde, weil das einfach zu genial aussah.
Aber der absolute Kracher in dieser Produktion, die Regisseur Adam Penford im Pauseninterview als zeitlos und für jede Epoche relevant bezeichnete, war Matthew Cottle als Kaufhausdetektiv, der ein gravierendes Sabber- bzw. Spuckproblem hat und durch den die Bezeichnung ‚egglisch, schmierisch, babbisch‘ eine ganz neue Definition bekam!
Wie der Mann es geschafft hat, daß ihm ein dauerhafter Spuckewasserfall aus dem Mund rieselte, war ziemlich beeindruckend (auf eine ecklige Art) und für die schauspielerische Leistung, die dahintersteckt, kann ich ihm wirklich nur höchsten Respekt zollen, auch oder gerade weil ich meine Augen stellenweise am liebsten hinter meinen Händen versteckt hätte.
Für mich war dieses Stück insgesamt eine gelungene Mischung aus Unterhaltung und Gesellschaftskritik, bei dem ich lachen und nachdenken konnte.
Die Eindrücke meiner Begleitung könnt ihr hier nachlesen.
Die Seite des National Theatre zu ‘A small family business’
Der Trailer zum Stück – leider nicht besonders aussagekräftig
Für uns war auch M.Cottle das absolute Highlight. Der Ausdruck und die Körperhaltung : ein Ausbund des kriecherisch verschlagenen Unsympathen! Und das Gesabber war wirklich episch! Ich frage mich, wie er das gemacht hat, den Speichelfluss auch nur halbwegs zu kontrollieren *shudder*. Und die Multi-Italorolle war auch spitze. Bestes Boulevard mit dem rosa Negligé . Tja und bei der letzten Einstellung ist mir dann auch das Lachen im Halse steckengeblieben (Sam im Bad).
Was war denn am Anfang mit der Kinopolizei? Hat sich jemand reingeschlichen ?
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Ich habe mich eher gefragt, wo der ganze Sabber herkam….
Oben ohne hat er auch eine gute Figur gemacht, wobei er für meinen Geschmack zu behaart war 😉
Die letzte Szene war wirklich erschütternd, zeigte aber subtil, daß irgendeiner bei dieser Geschäftemacherei eben immer auf der Strecke bleibt und in diesem Fall war das Sam 😦
Also, ich hoffe mal, die Dame über die wir uns amüsiert haben, saß nur auf dem falschen Platz und hat sich nicht auch noch illegal in den Kinosaal geschlichen *lach*
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Thema Geiber: vielleicht gibt eine spezielle Speichelpaste *würg*
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Möglich wäre es. Oder sie haben extra jemanden mit unstopbarem Speichelfluss gecasted und der Mann mußte gar nicht schauspielern, sondern sabbert auch im richtigen Leben so – gruselige Vorstellung!
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uuuhhaaahhhhwäh, der war wirklich so eglischs-schmierisch-babbisch.
Aber scheeee wars!
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Ja, es hat sich definitiv wieder gelohnt 🙂
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