The Audience (National Theatre London live)

Gestern war mal wieder eine Live-Übertragung im Rahmen des National Theatre Live Programms im Kino meines Vertrauens angesagt, die dieses Mal allerdings aus dem Gielgud Theatre in London kam.

In Peter Morgans Stück ‚The Audience‘ spielt Helen Mirren erneut Queen Elizabeth II. (für diese Rolle im Film ‚The Queen‘ bekam sie 2006 den Oscar), die sich traditionell seit ihrem Amtsantritt einmal pro Woche allein mit dem amtierenden Premierminister trifft, um sich von ihm oder ihr auf den neuesten Stand der politischen Geschehnisse bringen zu lassen.
Diese Treffen sind streng vertraulich aber Peter Morgan hat sich für sein Stück anhand von bekannten historischen Gegebenheiten und bekannten Fakten Unterhaltungen zwischen der Queen und den Premiers ausgedacht, wie sie tatsächlich stattgefunden haben könnten.

Von Winston Churchill über Anthony Eden bis zum aktuellen Premier David Cameron dürfen alle 12 Premierminister zu Wort kommen oder werden wenigstens namentlich erwähnt.

Das Bühnenbild ist sehr schön, kommt aber mit recht wenig Requisiten aus, es stehen einfach zwei wunderschöne gepolsterte Stühle im Zentrum, genau wie sie auch im privaten Audienzsaal der Königin stehen.

Ein Bediensteter der Queen, ein sogenannter Equerry fungiert als Erzähler und liefert immer wieder wichtige Fakten für den Zuschauer.
Dieser wird ganz wundervoll gespielt von Geoffrey Beevers, der mit seiner klangvollen Stimme und in seiner Livree eine sehr gute Figur macht und seiner Königin würdevoll zur Seite steht.

Edward Fox als Winston Churchill fand ich irgendwie total knuffig, auch wenn die Ähnlichkeit jetzt nicht so frappant ist und er der Rolle gemäß ganz furchtbar genuschelt hat.
Churchill bringt der jungen Königin bei ihrer ersten gemeinsamen Audienz bei, daß sie gefälligst wenig dumme Fragen stellen sollte und daß das Ganze nicht länger als 20 Minuten zu dauern hat.
Das schockiert und verärgert die junge Monarchin ein bißchen, aber im Lauf der Zeit war dieser Rat vermutlich gar nicht so schlecht.

Helen Mirren spielt die Queen einfach großartig, egal ob als ganz junge Monarchin, die gerne den Namen ihres Mannes annehmen würde und damit am Premierminister scheitert oder ob als über Achtzigjährige, die mit David Cameron (sympathisch dargestellt von Rufus Wright) über Tony Blair und sein Faible für Make up scherzt 😆
Die Ähnlichkeit zwischen Mirren und der Queen sind gar nicht so groß, obwohl liebevoll ausgesuchte Kostüme und Perücken sehr gut funktionieren, aber Mirren immitiert den Tonfall und die Haltung so gut, daß ich die Schauspielerin hinter der Rolle zeitweise komplett vergessen konnte.

Zu manchen der Herren entwickelt die Queen eine fast freundschaftliche Beziehung, auch wenn es gerade im Fall von leicht ungehobelten Harold Wilson (Richard McCabe) am Anfang ganz und gar nicht danach aussah.
Für andere ist sie sogar ein klein wenig Therapeut und mit der einzigen weiblichen Premierministerin (Haydn Gwynne) verbindet die Queen ein eher angespanntes Verhältniss.

Alle Schauspieler machen einen großartigen Job, aber mein eindeutiger Liebling war Richard McCabe, der einfach so sympathisch, witzig und am Ende dann auch ein klein wenig tragisch seine Figur verkörperte.

Helen Mirren wechselt teilweise auf der Bühne Kostüm und Perücke und das ging so schnell, das man als Zuschauer nur erahnen kann wie das Ganze von Statten geht. Dafür haben alle Beteiligten meine Hochachtung!!!

Süß fand ich auch die Idee, daß die erwachsene Queen immer wieder mit einem kleinen Mädchen Zwiesprache hält, das ihr jüngeres Ich verkörpert.
Das machte Elizabeth II. in meinen Augen viel menschlicher und führte mir vor Augen, auf wie viel diese Frau in ihrem Leben aus Pflichtgefühl verzichtet hat.
Und natürlich darf man auch die zwei lebendigen Corgis, die zwei Mal über die Bühne flitzten nicht vergessen.

Es wurde wahnsinnig viel gelacht – man muss den trockenen britischen Humor einfach lieben! – und die Zeit verging wie im Flug.
Selbst die Pause, in der der Autor des Stücks interviewt wurde, verging wie im Flug, weil das Interview so interessant war und ich bin sehr, sehr froh die Möglichkeit gehabt zu haben, dieses großartige Stück zu sehen!
Danke an mein Kino, ans National Theatre und natürlich wie immer auch an die liebe Poe, die auch dieses tolle Stück wieder mit mir angeschaut hat.

Die Seite des National Theatre zu ‚The Audience‘

Der Trailer zum Stück

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6 Antworten zu The Audience (National Theatre London live)

  1. Ute schreibt:

    Wow, das hört sich total gut an, bei uns im UCI in Bichum kommen höchstens mal Aufführungen des Bolschoi-Theaters oder von der MET. Bin ich bis jetzt immer ignorant gewesen, muss mal ein wenig mehr aufpassen, warum nicht mal eine Aufführung von „Private Lives“ mit TSchatz in London?

    Aber mal rein technisch, kann man so eine Theateraufführung auch im Kino geniessen, man ist ja nicht live dabei?

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  2. Herba schreibt:

    Das gehört dann zur Cinemaxx-Kette, oder?
    Mein Kino ist Cinestar, das ist glaub ich, die Konkurrenz.
    Soweit ich weiß, nehmen gerade nur Kinos in München, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und ich glaube auch Karlsruhe an den NT-Live-Übertragungen teil.

    Über Private Lives würde ich mich auch sehr freuen, aber ich glaube, da sind dei CHancen dieses Jahr eher gering. Beim NT stehen nun gerade alle Zeichen auf Shakespeare *seufz*

    Natürlich ist es nicht ganz das Selbe im Kino, aber ich finde schon, das man so ein Stück auch über die Leinwand genießen kann und ich bin echt happy drüber, weil ich so tolle Stücke erleben durfte, die ich sonst nie gesehen hätte

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  3. diepoe schreibt:

    Ja, es war wirklich ein sehr schöner Abend und MIR musste dafür nicht danken. Ich komme immer gerne mit! 🙂

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  4. Herba schreibt:

    Hihihi, wenn ich durch und durch böse wäre, würde ich dich nach dieser Aussage nun doch in Othello schleppen *breitgrins*

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  5. diepoe schreibt:

    othello willst du ja selbst auch gar nicht sehen 😛

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  6. Herba schreibt:

    DAS ist natürlich ein Argument 😆

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